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Das Intendantenkarussell rotiert - kleine Lücken sind zu verkraften

Von Christoph Irrgeher

Analysen

Fahnenflucht, so weit das Auge reicht. Jürgen Flimm: 2010 quittierte er vorzeitig den Salzburger Festspieledienst. Intendant David Pountney: 2013 kehrt er dem Bregenzer Festival - nach längerem Hin und Her - unerwartet den Rücken. Und nun splittet sich Roland Geyer: Bis 2016 leitet er das Theater an der Wien, ab 2015 aber auch schon die Bregenzer Festspiele. Kann denn solch flatterhaftes Treiben gut gehen?


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Für ein Opernfestival (mit wenig tagesaktuellem Geschäft) ist die Antwort kurz. Nämlich ja. Oder besser: Im Prinzip ja. Wer auf allzu vielen Kirtagen lieblos tanzt (Stichwort Flimm), darf ja nicht unbedingt mit Gegenliebe rechnen. Damit die Saat aber aufgeht, ist die Anwesenheit des säenden Chefs prinzipiell nicht zwingend nötig. Conditio sine qua non ist da eher, dass er seine Kernaufgabe im Vorfeld klug erfüllt hat: nämlich das Programmieren und Besetzen.

Und diese Arbeit muss nun sogar immer früher geschehen, weil die Vorlauffristen länger werden. Wer eine Anna Netrebko für, sagen wir einmal, 2016 engagieren will, der sollte hurtig zum Hörer greifen. Nämlich noch heute. Warum diese Vorlaufzeiten so lang sind? Weil sich der Opernbetrieb internationalisiert hat. Heißt also: Mehr und mehr Intendanten stehen sich vor der Tür der Weltstars die Beine in den Bauch. Die Zeiten, als man Sänger fast ausschließlich aus einem Hausensemble fischte (wodurch sich der Spielplan von heute auf morgen umwerfen ließ), sind vorbei.

Und weil diese Globalisierung auch die Intendantenkaste betrifft, gibt es heute eine Liga der Global Player. Sobald ein Spitzenjob frei wird, sind sie im Gespräch. Stéphane Lissner ist so einer: Festival-Leiter in Aix-en-Provence (1998 bis 2006), Operndirektor der Mailänder Scala und Musikchef der Wiener Festwochen (beides seit 2005). Und weil solche Kunststätten durch Koproduktionen oft verbandelt sind, wird das mondäne Multitasking immer selbstverständlicher. Ein Verbrechen ist es nicht. Und die fließenden Übergänge, die durchs Posten-Hopping wie im Fall Geyer entstehen, lassen sich seit langem bewältigen. Aber überhebt sich da nicht mancher? Wer vorsichtig ist, hütet sich vor den Prophezeiungen. An ihren Früchten werdet Ihr sie erkennen.

Ein Problem wäre da aber doch, mag es auch eher psychologisch sein: Wo nämlich ein Programm läuft, dessen Mastermind längst futsch ist, macht das zumindest den Eindruck eines Geisterschiffs. Und wo ein großes Festival plötzlich jahrelang nur Multifunktions-Chefs hat, kann lokale Entrüstung aufkeimen.

Die Bregenzer haben da Künstlerpech: Nach einem Zickzack-Kurs von Pountney ist der nun 2012 und 2013 noch vorhanden, doch auch Chef eines Opernhauses; 2014 ist noch eine Intermezzo-Lösung zu finden, 2015 zieht Geyer, vorerst als Doppelfunktionär, ein. Was freilich noch nichts über seine künftigen Leistungen sagt.

Siehe auch:Intendant mit den 'goldenen Eiern' blickt nach Bregenz