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Das Internet besser machen

Von Eva Stanzl

Wissen
Höchstdotierter Wissenschaftspreis für Algorithmen: Der Wissenschaftsfonds FWF zeichnete Monika Henzinger für "bahnbrechende Beiträge zur Informatik" aus.
© fwf / Daniel Novotny

Die Informatikerin Monika Henzinger ist Österreichs Wittgenstein-Preisträgerin 2021. Die Welt verdankt ihr unter anderem die Möglichkeit, mit dem Navi staufrei von A nach B zu gelangen. Ihr nächstes Projekt ist mehr digitale Privatsphäre.


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Monika Henzinger will das Internet besser machen. Österreichs Wittgenstein-Preisträgerin 2021 arbeitet an mehr Privatsphäre im digitalen Raum. Am Dienstag erhielt die Informatikerin die mit bis zu 1,5 Millionen Euro dotierte Auszeichnung, die auch als Österreichs "Nobelpreis" bezeichnet wird, für "bahnbrechende Beiträge zur Informatik". Monika Henzinger, geboren 1966 in der Oberpfalz, leitete die Forschungsabteilung von Google und unterrichtete an der Universität Cornell in den USA und an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne. Seit 2009 ist sie Professorin für Informatik an der Universität Wien, wo sie die Forschungsgruppe "Theorie und Anwendungen von Algorithmen" leitet. Der Wittgenstein-Preis fördert Forschung von Weltformat sowie Freiheit und Flexibilität bei der Durchführung von Forschungsarbeiten.

"Wiener Zeitung": Welcher Fragestellung wollen Sie sich mit dem Preisgeld insbesondere widmen?Monika Henzinger: Ich will Algorithmen zum Schutz der Privatsphäre entwickeln. Es gibt Eigenschaften, mit denen man garantieren kann, dass das der Fall ist. Angenommen, wir haben eine medizinische Datenbank und Sie fragen, ob jemand ein größeres Risiko trägt, eine Krankheit B zu erleiden, wenn er bereits Krankheit A hat. Um zu vermeiden, dass dabei die Identität der Person preisgegeben wird, verfälschen wir die Angaben zur Person ganz leicht. Wir bauen winzige Fehler ein, damit Informationen über Einzelne nicht rückverfolgbar sind, man aber trotzdem statistische Aussagen treffen kann.



Warum ist es eigentlich so schwierig, die Privatsphäre zu schützen?

Anonymisierung ist deswegen so schwer, weil man leicht Rückschlüsse ziehen kann. Experten ist das Problem insbesondere seit etwa zehn Jahren bewusst, nachdem der Gouverneur des US-Staates Massachusetts die Krankenakten ohne Namen und Adresse, aber mit Geschlecht offenlegte. Eine Doktorandin des renommierten Massachusetts Institute of Technology erkaufte sich für 20 Dollar Zugriff auf eine andere Datenbank mit den Adressen. Sie kombinierte die Informationen und fand die Gesundheitsakte des Gouverneurs heraus. Um das zu verhindern, gibt unsere neue Technik ein bisschen falsche Antworten, etwa indem sie die Geburtsdaten um ein paar Tage verändert. Die Fehler können zufällig gewählt werden, oder man kann eine künstliche Datenbank mit denselben Eigenschaften, aber nicht den exakt selben Details erzeugen. Die Zahl der Fehler quantifiziert, wie gut die Privatsphäre geschützt sein soll.

Dann gäbe es keine Privatsphäre, weil es keine echten Leute sind?

Genau, wir wollen ja nur eine statistische Aussage treffen, etwa wie viele Personen einer Altersgruppe trotz Impfung an Covid-19 erkranken.

Welches Wissen wird mit diesen Datenbanken generiert?

Mir geht es um dynamische Daten, wie etwa Software-Updates, die sehr wohl die Privatsphäre schützen. Darüber ist nur sehr wenig bekannt.

Wir müssen laufend der Verwendung von Cookies zustimmen oder sie ablehnen und um abzulehnen, weit nach unten scrollen. Und wir müssen Updates vornehmen, die angeblich die Überwachung intensivieren. Sie arbeiten dagegen an?

Ihre Cookies gehen in eine Firmen-Datenbank. Wenn die Firma Algorithmen benützt, die die Privatsphäre schützen, wird Ihre Information nicht weitergegeben. In den USA gibt es bereits Firmen, die angeben, solche Algorithmen zu nutzen - etwa der Fahrtendienst Uber, der sehr viele Daten besitzt. Ich habe für heuer eine Gastprofessur an der Universität Stanford und möchte diese Firmen besuchen, um herauszufinden, was sie tun und welche Probleme sie noch nicht lösen können.

Auch Sie halten es lieber privat. Ihre Biografie auf der Homepage der Uni Wien ist nicht einmal drei Sätze lang und man muss googlen, um zu erfahren, dass Sie bei Google tätig waren. Welche Algorithmen haben Sie bisher erfunden?

Früher war mein Ziel, schnelle Algorithmen zu entwickeln, weil wir große Datenmengen zu bearbeiten hatten, die Maschinen aber langsam waren. Nehmen wir die Google Cloud: Wann immer ein Programmierer dort etwas machen will, muss er entscheiden, wo die Daten laufen sollen. Ich habe den Algorithmus dazu entwickelt.

Was heißt das konkret?

Ein Programm kann man in hunderte kleine Aufgaben zerlegen, die parallel laufen können. Google hat Datencenter mit zehntausenden Maschinen mit unterschiedlicher Software. Also braucht man ein System, das entscheidet, wo all diese kleinen, unterschiedlichen Aufgaben erledigt werden. Ein solches habe ich bei Google entworfen. Weiters habe ich an Optimierungsprogrammen gearbeitet, etwa um kürzeste Wege auf Google Maps zu finden, die sich mit der Verkehrslage verändern. Es ging darum, möglichst schnell möglichst oft den neuesten kürzesten Weg zu finden, wenn sich nicht alle, sondern bloß einige Messgrößen verändern.



Aus meiner Sicht machen Computer vieles, was ich nicht verstehe. Kann man Algorithmen beherrschen?

Es gibt zwei Arten von Algorithmen. Zum ersten können Programmierer Meta-Algorithmen schreiben, die die besten Modelle suchen, um Daten zu klassifizieren, und markiert sie rot oder grün. Das heißt: Der Algorithmus wählt den besten Algorithmus für eine Aufgabe aus und in Wirklichkeit geht es nicht um rot oder grün, sondern um Entscheidungen, etwa ob jemand einen Kredit oder einen Job bekommt. Wir Menschen verstehen diese Modelle oft nicht, denn sie haben zehntausende Parameter und sind so komplex, dass wir nicht mehr wissen, wie sie sich verhalten. Modelle, die wir nicht mehr verstehen, sind von Meta-Algorithmen geschrieben.

Ihre Algorithmen sind keine Blackbox? Was macht sie transparent?

Ich schreibe und bestimme sie Schritt für Schritt und weiß daher, wie sie sich verhalten. Es sind die klassischen Algorithmen, deren Eigenschaften man kennt.

Seit wann interessieren Sie sich für Informatik?

Ich hatte Mathematik in der Schule gerne. Eines Tages kam der Professor mit einem alten Commodore-Computer und zeigte uns das Programmieren. Im Studium wollte ich mir dann die Logik überlegen und Algorithmen selbst entwickeln.

Wie gewinnt man gezählte 14 Forschungspreise?

Ich glaube, man muss viel arbeiten im richtigen Feld. Ein Ratschlag, den auch ich erst spät bekommen habe, ist, dass man an relevanten Problemen arbeiten sollte. Ich glaube, ich habe zumindest versucht, mir zu überlegen, was die Gesellschaft braucht.