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"Das ist der Beginn eines langen und mühsamen Weges"

Von Brigitte Pechar

Politik
In der Bildungsdebatte steht ein steiler und mühevoller Anstieg bevor. Foto: bilderbox

"Kein einziger Bildungsexperte gegen Gesamtschule." | Hoffnung, dass in der ÖVP jetzt inhaltliche Auseinandersetzung erfolgt. | Wien. Des einen Freud, des anderen Leid - so könnte man die Einigung zwischen Unterrichtsministerin Claudia Schmied und Wissenschaftsminister Johannes Hahn zur Weiterentwicklung der Sekundarstufe zusammenfassen. Zwar spricht Schmied weiterhin von der Erprobung der Neuen Mittelschule, eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen ist aber in weite Ferne gerückt.


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Bildungsexpertin Christa Könne bewertete für die "Wiener Zeitung" die am Montag erzielte Einigung: "Damit wird der Konflikt auf Dauer gestellt". Für Könne ist die ÖVP der eindeutige Gewinner, ganz entgegen aller Expertenmeinungen zum Thema. "Ich kenne keinen einzigen Bildungsexperten, der nicht für eine gemeinsame Schule der 10- bis 14- oder 15-Jährigen ist." Ihre Hoffnung setzt die langjährige AHS-Direktorin darin, dass die ÖVP jetzt ihre Hardliner befriedet hat und so den Rücken frei hat für eine inhaltliche und konstruktive Auseinandersetzung mit der Gesamtschule.

Zur Wahlfreiheit sagt Könne, der ÖVP-Forderung nach Wahlfreiheit, die ja die Idee einer Gesamtschule ad absurdum führt, hätte Schmied eine radikale Variante gegenüberstellen sollen: Nicht die Volksschulzeugnisse sind für die Schulwahl entscheidend, sondern die Eltern bestimmen die Schule. Dann hätte ein Run auf die AHS eingesetzt und es wäre Bewegung in die Szene gekommen. Könne ist überzeugt, dass damit eine sehr viel raschere Änderung erfolgt wäre als mit der nunmehrigen Lösung. "Das wird ein langer, mühsamer und zäher Weg werden."

Bei den nunmehrigen Schulversuchen zur gemeinsamen Schule fehle das gemischte Publikum. Wenn eine AHS im nahen Umfeld weiter bestehe, würden die Eltern aus Unkenntnis der neuen Schule ihre Kinder weiter an die AHS schicken. Vieles hänge nun von einer guten Information ab.

Zum Standort: Man hätte Modellstandorte bestimmen müssen. Jenen Lehrern, die nicht mitmachen wollen, hätte das Recht eingeräumt werden müssen, um Versetzung anzusuchen. Eine Zwei-Drittel-Zustimmung der Lehrer ist für Könne "absurd". Man habe die Lehrer ja auch nicht gefragt, ob sie mit der Stundenkürzung einverstanden seien.

Zur Evaluierung: Es gebe bereits x Schulversuche und praktisch jedes europäische Land als Modell. Wenn in diese neuen Schulversuche mehr Geld fließe, liefere das ein "Killerargument" für die Gegner.

Insgesamt habe die Regierung jetzt eine große Chance vertan, eine klare Entscheidung herbei zu führen. Könne sieht aber auch strukturelle Mängel, die nicht so einfach überwunden werden können. Hauptschule und AHS seien sehr schwer kompatibel. Ihr Vorschlag, die Volksschule und die Hauptschule zu fusionieren, sei aber leider nicht aufgegriffen worden: Die 6- bis 12-Jährigen wären demnach in diese Volks- und Hauptschule gegangen, gefolgt von drei Jahren in einer Mittelstufe, in der AHS-Lehrer unterrichtet hätten. Erst mit 15 wäre dann die weitere Laufbahn entschieden worden.

Das hätte auch den Vorteil gehabt, dass die unterschiedlichen Dienstrechte der Lehrer nicht kollidiert hätten. Die Angleichung der Lehrerausbildung sei dagegen ein Langzeitprojekt, das zwar jetzt begonnen werde "aber es wird ein langer und nicht schmerzfreier Prozess", prophezeit Könne.

Zur Person:Mag. Dr. Christa Könne (64) ist Chemiedidaktikerin am Austrian Educational Competence Center Chemie der Uni Wien, Leiterin der Pisa-Science Gruppe Österreich, Leiterin des Projekts "Prüfungskultur" am Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung der Uni Klagenfurt. Könne unterrichtete 15 Jahre an der katholischen Privatschule Maria Regina in Döbling und war 18 Jahre lang (bis 2006) Direktorin am Bundesgymnasium XI (zunächst Gottschalkgasse, seit 1997 Geringergasse).

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