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Das ist doch der Gipfel

Von Reinhard Göweil

Politik

Arbeitsmarkt-Gipfel: Jetzt liegen sich Mitterlehner und Hundstorfer in den Haaren.


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Wien. Immer wenn es in der Großen Koalition in den vergangenen Jahren im Gebälk krachte, und das war häufig der Fall, half die stabile Achse von Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Die beiden Ex-Sozialpartner pflegten einen fast freundschaftlichen Umgang miteinander. Nun ist auch diese Achse drauf und dran zu zerbrechen, und zwar rund ums Thema Arbeitsmarkt. Wirtschaftsminister Mitterlehner argwöhnt, so ist in der ÖVP zu hören, dass sich Sozialminister Hundstorfer auf die Bekanntgabe seiner Präsidentschaftskandidatur im Herbst vorbereite und das Ministerium vernachlässige. Das sei Unsinn, tönt es aus dem Sozialministerium. Die hohe Arbeitslosigkeit in Österreich sei nicht Folge fehlender Reformen, sondern dem niedrigen Wirtschaftswachstum zuzuschreiben. Außerdem verweist das Ministerium auf die hohe Gesamtbeschäftigung - 3,4 Millionen Jobs gibt es derzeit in Österreich.

Faktum ist auch, dass mehr als 395.000 Menschen Ende Mai arbeitslos waren, so viele wie noch nie. Und mittlerweile geht auch die Gewerkschaft auf leise Distanz zum Sozialminister. "Hundstorfer hat nicht recht, wenn er meint, wir hätten kein Problem. Wir haben eins", sagte ein hochrangiger Gewerkschaftsfunktionär zur "Wiener Zeitung" nach Zusicherung von Anonymität.

Ausländer von Arbeitslosigkeit derzeit besonders betroffen

Die Öffnung des Arbeitsmarktes innerhalb der EU (konkret für die osteuropäischen Länder) hat den Zuzug zum Arbeitsmarkt deutlich erhöht. Dazu kommen viele Deutsche, die in Österreich wegen der besseren Bezahlung arbeiten. In Ostdeutschland sind nur 36 Prozent der Beschäftigten in Kollektivverträgen erfasst, in Österreich sind es 97 Prozent. "Es ist eine Schande, dass ein reiches Land wie Deutschland einen so großen Billiglohnsektor hat. Wir reden hier von 20 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen", sagte Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm vor wenigen Tagen bei einem Hintergrundgespräch. "Ich hoffe, dass die nunmehrige Mindestlohnregelung in Deutschland auch in Österreich etwas Druck vom Arbeitsmarkt nimmt."

Insgesamt waren im Mai 104.000 ausländische Arbeitskräfte arbeitslos oder in Schulungen, ihr Anteil steigt seit Monaten überdurchschnittlich. Für die FPÖ ist dies ein Fest, sie untermauert damit ihre Forderung, den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte entweder stärker zu begrenzen oder deren Zugang zu Sozialleistungen zu beschränken. Eine Forderung, der in diesen innenpolitisch turbulenten Zeiten nun auch Außenminister Sebastian Kurz von der ÖVP einiges abgewinnen kann.

Für den bevorstehenden Arbeitsmarktgipfel, der im Juli stattfindet, gibt es noch keinen fixen Termin. Auch das macht die ÖVP unrund. "Der Sozialminister hat gesagt, er wird dafür etwas vorbereiten, aber wir haben nichts", ist aus dem Wirtschaftsministerium zu hören.

Die Gewerkschaft und die Arbeiterkammer fordern für diesen Gipfel auch die Umsetzung der seit langem und oft angekündigten Wohnbau-Offensive. 5 Milliarden Euro schwer, 30.000 Wohnungen sollen gebaut werden, was vor allem die Arbeitslosigkeit am Bau reduzieren würde. Tatsächlich gibt es dieses Programm noch nicht.

Bestbieter und Wohnbauoffensive

Die Sozialpartner verlangen für den Arbeitsmarktgipfel allerdings auch die Schaffung des Bestbieterprinzips. Das Billigstbieterprinzip würde in den Unternehmen Sozialdumping fördern und Unternehmer aus Osteuropa, die niedrigere Standards haben, bevorzugen. Die Regierung ist dazu bereit, allerdings schaumgebremst. "Bestbieter heißt natürlich auch, dass öffentliche Bauvorhaben teurer werden, das trauen sich viele Politiker nicht", ist zu hören.

In der ÖVP aber wird befürchtet, dass Hundstorfer den Arbeitsmarktgipfel zu einem Konjunkturgipfel umfunktionieren möchte. "Wir brauchen eine Liberalisierung bei den Arbeitszeiten, nicht höhere Ausgaben. Es gibt ja ohnehin schon die Steuerreform", ist aus dem Umfeld Mitterlehners zu hören.

Davon wollen die Gewerkschaften nichts hören, sie drängen auf eine sechste Urlaubswoche oder Arbeitszeitverkürzung. AK-Direktor Muhm: "Der öffentliche Dienst beispielsweise könnte eine Vereinbarung treffen, in der sich die Beschäftigten zwischen Geld und mehr Freizeit entscheiden können. In der Elektrobranche gibt es im Kollektivvertrag diese Öffnungsklausel bereits und sie funktioniert prächtig."

Was allerdings gar nicht prächtig funktioniert, ist die Zusammenarbeit der beiden Regierungsparteien. Wenn der Arbeitsmarktgipfel einfach nichts ergibt oder am Ende gar im Streit endet, dann wird die Neuwahl-Diskussion so richtig aufflammen. Denn Arbeitsmarktpolitik ist ja - so Bundeskanzler Werner Faymann - vorrangig. Also sollte die Regierung hier etwas voranbringen. Sonst tritt ein, was die Nationalbank jüngst geschätzt hat: Erst 2017 wird die Arbeitslosigkeit wieder sinken.

Der politische Nutznießer heißt FPÖ. Sie braucht bloß auf die Statistik verweisen.

Sozialpartner sind sich ebenfalls nicht einig

Erschwerend für SPÖ und ÖVP kommt dazu, dass auf Sozialpartnerebene derzeit wenig weitergeht. Zwar verlangen sowohl Wolfgang Katzian, Chef der sozialdemokratischen Gewerkschafter, als auch Industrie-Präsident Georg Kapsch eine "vorurteilslose Debatte über Arbeitsmarktreformen", doch beide verstehen darunter etwas grundsätzlich anderes. Katzian will die Arbeitszeit verkürzen, um so mehr Menschen in den Jobmarkt zu integrieren. Kapsch will die Notstandshilfe begrenzen, die nach dem Auslaufen des Arbeitslosengelds bezahlt wird, um so den Druck zu erhöhen, einen Job zu suchen. Der eine will eine sechste Arbeitswoche, der anders noch flexiblere Arbeitszeiten. Das würde die Überstunden wegrasieren und einen Reallohnverlust bedeuten, so die Gewerkschaft.

Kapsch wie Katzian beteuern, die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs verbessern zu wollen, doch mit unterschiedlichen Konzepten. Und alle hoffen auf die Steuerreform, die 2016 eine Entlastung von fünf Milliarden Euro bringen und den Konsum ankurbeln soll.

Am kommenden Mittwoch soll die endgültige Version der Steuerreformgesetze den Ministerrat passieren, die dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt wird. Auch da gibt es noch etliche Fragezeichen, vor allem bei der Abschaffung des Bankgeheimnisses.

Hier setzt die SPÖ den Regierungspartner ÖVP unter Druck, der schwere interne Widerstände zu überwinden hat. Wenn das am Mittwoch nicht klappen sollte, ist Hundstorfer eine Sorge los. Dann benötigt die Regierung keinen Arbeitsmarktgipfel mehr.