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Das ist doch ein Witz!

Von Julia Urbanek

Reflexionen

Warum erzählen wir einander eigentlich Witze? Weil wir gerne lachen und andere zum Lachen bringen. Es stärkt das Gemeinschaftsgefühl, erzeugt entspannte Stimmung, hat etwas Spielerisches.


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Kennen Sie den? "Zwei Jäger gehen durch den Wald, als einer der beiden plötzlich zusammenbricht. Er scheint nicht mehr zu atmen und seine Augen sind glasig. Der andere Jäger greift nach seinem Handy und wählt den Notruf. Er ruft: Mein Freund ist tot! Was soll ich tun? Die Dame am Notruf beruhigt ihn: Ganz ruhig, ich kann Ihnen helfen. Zuerst sollten Sie ganz sicher sein, dass er tatsächlich tot ist. Stille - dann hört man einen Schuss. Zurück am Telefon sagt der Jäger: Ok, und jetzt?"

Wer jetzt gelacht hat, ist in guter Gesellschaft. Dieser Jägerwitz wurde in einer groß angelegten Studie des britischen Psychologen Richard Wiseman zum weltweit besten Witz erkoren. Wiseman war auf der Suche nach einem internationalen Konsenshumor und ließ ein Jahr lang auf einer Internet-Seite Witze bewerten. 40.000 Witze und 1,5 Millionen Bewertungen aus der ganzen Welt gingen bei ihm ein. Das Ziel der großen Studie, die Wiseman mit der British Association for the Advancement of Science machte, war nicht nur, den besten Witz zu finden, sondern auch andere Fragen zu beantworten: Gibt es einen männlichen oder weiblichen Humor, worüber lachen die Europäer, worüber die Amerikaner und wann ist die beste Zeit zum Witzeerzählen?

Der Jägerwitz wurde vom 31-jährigen Psychiater Gurpal Gossal aus Manchester eingeschickt. Der Witz gebe einem das Gefühl, dass es auf der Welt immer Menschen gebe, die noch dümmere Sachen machen als man selbst, erklärt er. Wenn Witze Menschen zum Lachen bringen, erfüllen sie immer bestimmte Aufgaben: Die Lachenden fühlen sich den "Witzfiguren" überlegen, die Witze nehmen manchen Themen die Schwere, sie überraschen mit ungewohnten Kombinationen. Der Jägerwitz erfüllt alle Punkte - und ist jener Konsenshumor, nach dem Wiseman gesucht hat. Er wird in fast allen Ländern und Altersstufen lustig gefunden. Denn das ist nicht bei allen Witzen so, fand Wiseman heraus: Menschen aus Irland, dem Vereinigten Königreich, Australien und Neuseeland lieben Witze mit Wortspielen, Amerikaner und Kanadier bevorzugen Scherze, in denen man sich überlegen fühlen kann. Viele europäische Länder wie Frankreich, Belgien oder Dänemark mögen surreale Witze wie diesen hier: "Ein Hund geht in ein Telegrammbüro, nimmt ein Formular und schreibt: Wau. Wau. Wau. Wau. Wau. Wau. Wau. Wau. Wau. Der Beamte nimmt das Blatt und erklärt dem Hund höflich: Das sind nur neun Worte, zum gleichen Preis können Sie noch ein zehntes Wau schreiben. Das würde dann allerdings gar keinen Sinn ergeben, antwortet der Hund." In diesen Ländern liebt man auch Witze, die schwierigen Themen wie Tod, Krankheit, Familienproblemen eine amüsante Note geben: "Ein Patient: Herr Doktor, gestern habe ich einen Freudschen Versprecher gemacht. Ich war abendessen mit meiner Schwiegermutter und wollte sagen: Reich mir doch bitte die Butter. Stattdessen sagte ich: Du blöde Kuh hast mein Leben zerstört." Wer den Durchschnittsmenschen zum Lachen bringen will, sollte ihm abends um 18.06 Uhr zur Monatsmitte einen Witz erzählen - Richard Wiseman fand heraus, dass seine Probanden zu dieser Zeit am meisten Humor bewiesen. Am wenigsten zu lachen zumute war ihnen nachts um 1.30 Uhr.

"18 Jahre lang waren mein Mann und ich die glücklichsten Menschen auf der Welt. Dann haben wir einander kennengelernt." Eine eigentlich traurige Tatsache wird hier im Witz zum Lacherfolg. Wir amüsieren uns über das Aussprechen eines eher tristen Schicksals. Indem wir solche Witze erzählen oder darüber lachen, können sich Gefühle oder Aggressionen entladen. Sigmund Freud beschäftigte sich mit der Beziehung des Witzes zum Unbewussten. Der Witz wird dabei zum Ventil von Verdrängungen und gesellschaftlich nicht Erwünschtem. Freud sammelte Witze und Wortspiele von diabolischer Zweideutigkeit und analysierte akribisch ihre Techniken. Doppelsinnige Ausdrücke gehören dazu oder verschobene Gedankengänge wie in Freuds Beispiel in "Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten", in dem er viele jüdische Witze anführt: "Ein Verarmter hat sich von einem wohlhabenden Bekannten unter vielen Beteuerungen seiner Notlage 25 Gulden geborgt. Am selben Tage noch trifft ihn der Gönner im Restaurant vor einer Schüssel Lachs mit Mayonnaise. Er macht ihm Vorwürfe: Wie, Sie borgen sich Geld von mir aus und dann bestellen Sie sich Lachs mit Mayonnaise? Dazu haben Sie mein Geld gebraucht? Ich verstehe nicht, antwortet der Beschuldigte: Wenn ich kein Geld habe, kann ich nicht essen Lachs mit Mayonnaise, wenn ich Geld habe, darf ich nicht essen Lachs mit Mayonnaise. Also wann soll ich eigentlich essen Lachs mit Mayonnaise?" Auslassungen, Anspielungen, Übertreibungen - die Techniken, Witze zu konstruieren, sind unzählig. Das Ziel des Witzes ist Lustgewinn und Abbau von Konflikten. Gleichzeitig kann man sich durch Witze mit Gleichgesinnten gegen Andersdenkende oder Autoritäten solidarisieren. Unzählige Beamten- oder Lehrerwitze erzählen davon, wir lachen über Blondinen, Burgenländer, Mühlviertler, Schotten, Ostfriesen, Jäger oder Schwiegermütter. Lachobjekte sind jedenfalls "die anderen", sich über Dritte lustig zu machen verbindet die Gruppe.

Neben der Solidarisierung ist auch Schadenfreude ein Motor für unser Lachen. Wenn jemand wegen einer Bananenschale auf dem Hosenboden landet, kann sich kaum einer das Kichern verkneifen. "Superiority theory" nennt das Richard Wiseman: Dass sich die Person, die stolpert, lächerlich macht, verschafft uns ein gutes Gefühl. Und so funktionieren auch solche Witze: Figuren, die etwas Offensichtliches missverstehen, einen dummen Fehler machen, hilfloses Opfer der äußeren Umstände sind, bringen uns zum Lachen - weil wir uns überlegen fühlen. Wir grenzen uns von dem Pechvogel ab und erhöhen uns dadurch selbst.

Eine andere Theorie, warum wir über Witze lachen, ist die der Inkongruenz. Wenn Dinge nicht zusammenpassen oder überraschende Kombinationen aufweisen, sind die Lacher schon programmiert. Eine große Nase, ein kleiner Mann unter Riesen, sprechende Tiere erregen unsere Aufmerksamkeit und bringen uns zum Lachen. Auch gute Witze müssen ungewöhnliche Kombinationen bieten - nach Freud sind es auch Verbindungen, die Verbotenes oder Tabuthemen miteinbeziehen. Wir können unterdrückte Bedürfnisse, Aggressionen, Ängste über den Witz ausleben. Wie bei diesem Witz: "Am Montagmorgen wird ein Verbrecher zur Hinrichtung geführt. Er meint: Die Woche fängt ja gut an". Wir lachen über den Mann, der im Begriff ist zu sterben, weil er auf die ernste Situation mit einem flotten Spruch reagiert. Die seltsame Kombination, die Ungereimtheit bringt uns zum Lachen, wenigstens zum Schmunzeln, das Lachen distanziert uns vom Ernst der Geschichte.

Warum erzählen wir einander eigentlich Witze? Weil wir gerne lachen und andere zum Lachen bringen. Es stärkt das Gemeinschaftsgefühl, erzeugt entspannte Stimmung, hat etwas Spielerisches. Und Witze sind nur ein Teil dessen, worüber wir lachen. Es sind oft spontane Pointen, geistreiche Kommentare, alberne Fehler, Gruppeninterna, die uns amüsieren. Menschen, die viel lachen, werden von anderen sympathisch gefunden und tun nicht zuletzt Wesentliches für ihre Gesundheit. Richard Wiseman berichtet in seinem LaughLab, dass Menschen, die mehr lachen und das Leben nicht zu ernst nehmen, stärkere Immunsysteme haben als andere. Lachen stabilisiert den Kreislauf, regt die Durchblutung an, es hilft uns tiefer zu atmen, regt den Herzschlag an und aktiviert viele verschiedene Muskeln im Gesicht und am Oberkörper. Es ist wie ein kleines Workout für den Körper - ein Forscher schätzte, dass ein Lachanfall den Herzschlag so stimuliert wie zehn Minuten auf einer Rudermaschine oder 15 Minuten auf einem Heimtrainer. Aber Lachen ist auch ein kleiner Wellness-Urlaub: Beim Lachen schütten wir Glückshormone aus, die uns entspannen. Das tut auch der Verdauung gut, Lachen regt den Stoffwechsel an und lindert außerdem Schmerzen. Lachen kann auch bei depressiven Verstimmungen helfen, Humor wird etwa auch in der Psychotherapie eingesetzt. Also: Kennen Sie den schon?