Die Finanzmarktaufsicht sieht durch die Malversationen bei der Commerzialbank Mattersburg keine Bedrohung für Österreichs Bankenmarkt. Unterdessen geraten die Bilanzprüfer der TPA zunehmend unter Druck.
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In der Bilanzaffäre um die Commerzialbank Mattersburg könnte es laut Medienberichten um eine Summe von bis zu 500 Millionen Euro gehen, die fehlt. Die Finanzmarktaufsicht (FMA), die dem Geschäftsbetrieb des burgenländischen Instituts am Mittwoch einen Riegel vorgeschoben hat, will das allerdings nicht bestätigen. "Das sind Spekulationen von Zeitungen, man kann es nicht sagen", heißt es dort. "Wir brauchen zuerst die Fakten auf dem Tisch", erklärt der Sprecher der Behörde, Klaus Grubelnik. "Dazu wird jetzt ein Status erhoben, welche Vermögenswerte werthaltig sind."
Wie der FMA-Sprecher weiter erklärt, gebe es "Positionen, die nicht werthaltig sind oder die zum Teil frei erfunden wurden". Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" verweist Grubelnik auf Aussagen aus dem Umfeld der Bank, "wonach ein Drittel oder mehr der Bilanzsumme gefälscht ist, das nur frei erfunden ist". Ferner gibt er zu bedenken, "dass es heißt, dass Geld verschwunden ist, das vorher erfunden wurde, also gar nicht weg ist". Das Geld könnte es demnach nie gegeben haben. All dies müssen die ermittelnden Behörden jetzt genau abklopfen.
Sorgen für Österreichs Bankensektor macht sich die FMA mit Blick auf die Mattersburger Skandalbank jedenfalls keine, sollte das Institut, wie demnächst wohl zu erwarten ist, in den Konkurs geschickt werden. Sie sieht keine Systemrelevanz der Commerzialbank für den heimischen Finanzmarkt. "Die Bank hat eine Bilanzsumme von 800 Millionen Euro. Die Bilanzsumme der gesamten Bankenlandschaft in Österreich zusammen ist bei etwa 900 Milliarden Euro", so Grubelnik. Nachsatz: "Das ist eine regionale Zwergenbank."
Für Gerichte zeichnet sich jede Menge Arbeit ab
Der Skandal um die Commerzialbank wird die Gerichte "sicher noch Jahre" beschäftigen, ist Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbandes Creditreform, überzeugt. "Prinzipiell bräuchte man gar kein Insolvenzverfahren, die Bank könnte auch gekauft werden. Ich glaube aber, an einem Insolvenzverfahren wird da nichts vorbeiführen", sagte Weinhofer der Austria Presse Agentur am Freitag.
So ein Bankendebakel sei "immer etwas sehr Komplexes", betonte der Gläubigerschützer unter Hinweis auf frühere Fälle wie etwa die Rieger Bank, die Bank Burgenland und die Hypo Alpe Adria. Weinhofer rechnet mit unzähligen Klagen. Aus seiner Sicht wird es im Fall einer Insolvenz der Commerzialbank Verbandsklagen gegen die Aufsichtsbehörden (Nationalbank und FMA), gegen den Aufsichtsrat der Bank und gegen den bereits zurückgetretenen Bankvorstand und Präsidenten des Fußball-Bundesligisten SV Mattersburg, Martin Pucher, geben.
"Auch die Haftung der Wirtschaftsprüfer ist immer ein heikles Thema. Wie konnte das über Jahrzehnte unentdeckt bleiben? Das ist dubios", so Weinhofer. "Gegen einen gut gemachten Betrug und bei viel krimineller Energie ist man freilich auch als Wirtschaftsprüfer machtlos", räumte der Kreditschützer wiederum ein.
Die in Wien ansässige Wirtschaftsprüfungskanzlei TPA, die die Jahresabschlüsse der Commerzialbank von 2006 bis 2018 geprüft hat (für 2019 ist keine Bilanz hinterlegt), sieht sich denn auch als Opfer. Sie weist ein Verschulden in der Causa dezidiert zurück und prüft daher eine Anzeige gegen die Bankverantwortlichen. Indes meinte Anlegerschützer und Bilanzexperte Wilhelm Rasinger im "Kurier": "TPA hätte wesentlich kritischer prüfen müssen." Im Abschluss der Bank würden sich schon bei oberflächlicher Betrachtung eklatante Auffälligkeiten zeigen.
In der zuletzt hinterlegten Bilanz für das Jahr 2018 seien für das Geschäftsvolumen der Bank sehr hohe Forderungen an andere Kreditinstitute über exakt 315 Millionen Euro ausgewiesen. Laut Rasinger hätten sich die Prüfer nicht mit der von der Commerzialbank vorgelegten Saldenliste zufriedengeben dürfen, sondern hätten bei jenen Banken, wo diese Gelder angeblich eingelegt waren, vor Ort nachprüfen müssen.
Kapsch: "Müsste bei Abschlussprüfungen auffallen"
Erneut zu Wort meldete sich am Freitag auch der Wiener Anlegeranwalt Ingo Kapsch. Er zeigte sich darüber verwundert, dass die mutmaßlichen Malversationen womöglich mit "gefälschten Bankbestätigungen" so lange gut gegangen sind. So etwas dürfe im Jahr 2020, 2019 oder davor eigentlich nicht mehr funktionieren, meinte Kapsch im ORF-Radio.
Es liege auf der Hand, dass in der Causa "etwas schiefgegangen" sei, wenn bei 800 Millionen Euro Bilanzsumme hunderte Millionen fehlten und dabei womöglich mit gefälschten Bankbestätigungen agiert worden sei. "Das müsste eigentlich bei den Abschlussprüfungen auffallen", betonte Kapsch. Abschlussprüfer seien verpflichtetet, die Bankbestätigungen direkt bei den betreffenden Banken einzuholen. Dazu müssten diese von der Commerzialbank vom Bankgeheimnis entbunden werden. Stelle sich dann heraus, dass es gar keine Geschäftsbeziehung gebe, "wäre natürlich Feuer am Dach", sagte der Anwalt von der Kanzlei Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch.
Eine Vor-Ort-Prüfung der FMA habe festgestellt, dass angebliche Kreditnehmer und auch angebliche Bankguthaben gar nicht existiert hätten, so Kapsch. Im ORF-Fernsehen erklärte auch FMA-Vorstand Helmut Ettl am Freitag, dass ein Wirtschaftsprüfer die Aufgabe habe, die anderen Banken entsprechend zu fragen. Daher sei es "uns ein Rätsel", so Ettl, warum dem jahrelang nicht nachgegangen worden sei.
Teurer Schadenersatz im Fall von Fehlern bei Bilanztestat
Anwalt Kapsch hat bereits am Donnerstag mögliche Haftungsansprüche gegenüber den Abschlussprüfern angedeutet. Wenn ihnen ein Fehlverhalten nachgewiesen werden kann, drohen TPA millionenschwere Schadenersatzzahlungen. Im Fall der Rieger Bank, die 1998 nach dem Auffliegen von Unregelmäßigkeiten in der Bilanz zusammenbrach und anschließend liquidiert werden musste, verdonnerte das Handelsgericht Wien den Prüfer zu einer Schadenersatzzahlung von 1,1 Millionen Euro.
Der Bilanzskandal um die Commerzialbank hat im Burgenland bei vielen betroffenen Kunden für große Verunsicherung gesorgt. Beim Konsumentenschutz der Arbeiterkammer Burgenland laufen deshalb seit Mittwoch die Telefondrähte heiß. "Wir haben in den vergangenen Tagen mehrere hundert Anfragen erhalten", berichtete AK-Konsumentenschützerin Judith Palme-Leeb am Freitag.
Viele Bankkunden hätten Fragen zur weiteren Vorgehensweise: "Was ist mit meinem Geld, den Krediten, Schließfächern und Sparbüchern? Was kann ich tun?" Da mittlerweile klar sei, dass die Bank wohl nicht mehr öffnen werde, rate man vor allem zur Eröffnung eines neuen Kontos. Außerdem informiere man die Betroffenen darüber, dass sie einen Brief von der Einlagensicherung mit einer Anleitung, wie sie zu ihrem Geld kommen, erhalten werden.
Gesichert sind Einlagen von bis zu 100.000 Euro pro Kopf. Wer bei der Commerzialbank mehr Geld eingelegt hat, muss seine Ansprüche im wohl bald bevorstehenden Insolvenzverfahren anmelden.
Der Chef der Einlagensicherung Austria, Harald Podoschek, rechnet damit, dass insgesamt zirka 450 Millionen Euro ausbezahlt werden. In diesem Betrag inkludiert sind rund 50 Millionen Euro, die auf Einleger der Ex-Meinl-Bank Anglo Austrian ABB entfallen (für dieses Institut hat die FMA vor wenigen Tagen Konkurs beantragt). "Wir werden alle Einleger entschädigen können", versicherte Podoschek. Das Geld dafür sei vorhanden. Laut Podoschek ist es die bisher größte Summe, die an private Sparer gezahlt werden muss.
Rund 30 Millionen Euro
Unterdessen hat sich am Freitag eine weitere heimische Firma geoutet, die als Großkunde der Commerzialbank um viel Geld bangt, und zwar die Erste gemeinnützige Wohnungsgesellschaft Heimstätte GesmbH (EGW). Bei ihr geht es um rund 30 Millionen Euro. Das Unternehmen ist dem Umfeld des Wiener Versicherers Vienna Insurance Group (VIG) und des Wiener Wohnungsbauunternehmens Sozialbau zuzurechnen. Wie berichtet, haben die Wiener Tech-Firma Frequentis mit rund 31 Millionen und der größten heimische Konzertveranstalter Barracuda mit rund 34 Millionen Euro Einlagen in ähnlicher Höhe bei der Bank.(kle/vasa)