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"Das ist keine Spaßbewegung"

Von Petra Tempfer und Karl Ettinger

Politik

Am Freitag findet ein weltweit konzertierter Klimastreik der Schüler statt. In Österreich darf man dem Unterricht nur aus bestimmten Gründen fernbleiben - Faßmann will aber kein Zensurministerium sein.


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Wien. In mehr als 1000 Städten in 89 Ländern gehen kommenden Freitag Schülerinnen und Schüler auf die Straße. Sie demonstrieren gegen die Klimapolitik, für den Klimaschutz - dem Beispiel Greta Thunbergs folgend. Die 16-jährige Schülerin aus Schweden gehört der Bewegung "Fridays for Future" an und demonstriert bereits seit August 2018 jeden Freitag vor dem Parlament in Stockholm. In Österreich wurde der erste Schüler-Klimastreik für 21. Dezember angekündigt, kurz nach der UN-Klimakonferenz in Katowice in Polen. Seitdem wird auch hier jeden Freitag um 12 Uhr Mittag auf dem Wiener Heldenplatz demonstriert.

"Zur ersten Demo sind ad hoc circa 100 Schüler gekommen", sagte Johannes Stangl, einer der Initiatoren von "Fridays for Future" in Wien, am Dienstag zur "Wiener Zeitung". "Und jede Woche sind wir gewachsen." Wie viele Schüler es kommenden Freitag sein werden, könne man noch nicht sagen. Man rechne aber mit "sehr vielen Teilnehmern", ergänzte Katharina Rogenhofer, ebenfalls Initiatorin. Von rund 50 Schulen wisse man, dass sie klassen- respektive oberstufenweise teilnehmen wollen. Im Vorfeld kursieren Schätzungen von tausenden streikenden Schülern allein in Wien. Parallel werden Schüler in Bregenz, Innsbruck, Salzburg, Linz, Klagenfurt und Graz auf die Straße gehen.

Unterstützungsbrief von Wissenschaftern

In Wien startet die Demonstration an fünf Sammelpunkten (Hamerlingplatz, Karlskirche, Stiftskirche in der Mariahilfer Straße, Schottentor und Wien Mitte), von denen der Zug um 11 Uhr in Richtung Heldenplatz losgehen wird. Dort wird es um 12 Uhr eine Kundgebung und Ansprachen von Schülern geben. Außerdem soll ein Unterstützungsbrief vorgelesen werden, der von mehr als 12.000 Wissenschaftern aus Österreich, Deutschland und der Schweiz, den "Scientists4Future", unterzeichnet wurde. Deren Hauptaussage: Das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 verpflichtet die Staaten völkerrechtlich verbindlich, die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius zu halten. Behält man nur die angekündigten Maßnahmen bei, wird diese allerdings bis Ende das Jahrhunderts etwa 3,5 Grad betragen.

Um 13 Uhr wird sich der Zug schließlich zum Bundeskanzleramt, zum Bildungsministerium, zum Nachhaltigkeits- und zum Verkehrsministerium bewegen. Vor jeder dieser Adressen ist ein Stopp eingeplant, um konkrete Forderungen vorzutragen.

Diese sind, so Stangl: eine ökosoziale Steuerreform, mehr Klimathemen im Unterricht, Klimapolitik bei jeder größeren, politischen Entscheidung mitzudenken und die Mobilitätswende voranzutreiben. Aktuell sei das Thema Klimaschutz vor allem ein Oppositionsthema. Oppositionspolitiker haben laut Stangl bereits ihre Unterstützung zugesagt. Kritik an den Streiks und Hasspostings gegen Greta Thunberg kommen unter anderem von rechten Kreisen und Klimawandelleugnern. Tatsache sei: "Das ist keine Spaßbewegung. Es ist eine politische Bewegung. Und zwar global", so Stangl.

Neben Schülern haben auch Eltern ("Parents for Future") und Lehrer angekündigt, bei der Demo mitzugehen. Es ist allerdings keineswegs komplikationslos, dem Unterricht einfach fernzubleiben. Laut Schulunterrichtsgesetz müssen Schüler nur dann nicht am Unterricht teilnehmen, wenn sie krank sind, außergewöhnliche Ereignisse stattfinden oder wenn durch den Schulweg ihre Gesundheit gefährdet wäre. Nur dann gelten Stunden, die Eltern oder volljährige Schüler entschuldigen, auch wirklich als entschuldigt.

"Fernbleiben aus wichtigen Gründen" erlaubt

Der Klassenvorstand kann Schülern jedoch bis zu einem Tag und der Schulleiter darüber hinaus ein "Fernbleiben aus wichtigen Gründen" erlauben. Für Arbeit in der Schülervertretung müssen sie auf jeden Fall freibekommen. Allerdings sind wichtige Gründe eine Ermessensfrage. Reales Beispiel: Eine Klasse wollte am Freitag am Aktionstag teilnehmen, nun hat man sich verständigt, dass nur eine Schülerin, die sich intensiv mit Klimaschutzthemen beschäftigt hat, als Delegierte zur Demo geht und damit offiziell entschuldigt ist.

Bei Pflichtschülern kommt noch ein Punkt dazu. Für diese haben Schulen und Lehrer die Aufsichtspflicht. Das geht bis zur Haftungsfrage, sollte am Weg zu und bei der Veranstaltung etwas passieren.

Ob nun der Besuch des aktuellen "Weltweiten Klimastreiks" ein wichtiger Grund ist und ein Fernbleiben erlaubt, wird je nach Bundesland unterschiedlich eingeschätzt: Während ein Besuch der Demo in den Bildungsdirektionen in Wien, Niederösterreich, Salzburg und Vorarlberg als ungerechtfertigtes Fernbleiben gesehen wird, wollen andere Bundesländer die Schulen entscheiden lassen.

So überlässt Oberösterreichs Bildungsdirektion die Entscheidung aufgrund der Schulautonomie den Direktoren. Dass die Klärung und somit die Verantwortung auf Schulleiter abgeschoben wird, hat Folgen: Im Bildungsministerium hat man damit nämlich keine Freude. Man werde "mit Oberösterreich reden", kündigte Martin Netzer, Generalsekretär des Ministeriums, der "Wiener Zeitung" an.

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) findet zwar eine aktive Beteiligung grundsätzlich gut, aber nicht während des Unterrichts. Auch er verweist auf das Gesetz. Generell würde er eine allgemeine Regelung für sinnvoll halten. Denn auf die Frage etwa nach einer Teilnahme an einer Demo für die Sicherungshaft sagte Faßmann: "Ich würde jetzt nicht unsere Behörde als ein Zensurministerium verstehen, das sagt, das geht und das nicht."

Bei fünf unentschuldigten Fehltagen oder 30 unentschuldigten Fehlstunden in einem Semester oder drei aufeinanderfolgenden unentschuldigten Fehltagen wird jedenfalls ein fünfstufiges Verfahren in Gang gesetzt: Dieses beginnt mit einem verpflichtenden Gespräch zwischen den Erziehungsberechtigten, dem Schüler und dem Klassenlehrer oder -vorstand und endet mit einer Geldstrafe von bis zu 440 Euro.