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"Das ist keine Spekulation!"

Von Stefan Meisterle

Wirtschaft

Anleihe-Expertin von Pioneer Investments über Spekulation, Risiko und Investentscheidungen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Spekulanten, Zocker, Heuschrecken - die Bezeichnungen, mit denen die Finanzmarkt-Akteure in der jüngsten Vergangenheit bedacht werden, sind häufig nicht die freundlichsten. Spätestens seit die Finanzbranche im Zuge der Finanzkrise weltweit im Generalverdacht stehen, das Risikospiel mitgespielt zu haben, beherrschen düstere Klischees das Bild von Bankern und Händlern. Aber ist das Leben eines "Traders" tatsächlich ein einziger Rausch der rasanten Entscheidungen? Geht der Fondsmanager wirklich ohne ein Wimpernzucken sagenhafte Risiken ein? Die "Wiener Zeitung" bat Grete Strasser, Fondsmanagerin bei Pioneer Investments, über ihren Alltag an den Finanzmärkten zu berichten. Und zu Spekulation, Risiko und Gehältern Stellung zu beziehen.


"Wiener Zeitung": Frau Strasser, wie beschreiben Sie Ihren Beruf?Grete Strasser: Ich bin Fondsmanagerin für zentral- und osteuropäische Anleihen und arbeite seit 1989 in den Emerging Markets. Grundsätzlich ist der Beruf eine Mischung aus makroökonomischer Übersicht über das Geschehen in den Ländern, der Gesamtübersicht der weltweiten Wirtschaftsaktivität und dem Festlegen von Positionen.

Würden Sie Ihre Tätigkeit als Spekulation bezeichnen? Strasser: Nein. Wir agieren mit tatsächlichem Geld, mit den Ersparnissen unserer Kunden. Das ist keine Spekulation, sondern diszipliniertes Arbeiten auf Basis des Vertrauens, das unsere Kunden in die Qualität unserer Produkte haben.

Wie viele Investitionsentscheidungen müssen sie im Durchschnitt täglich treffen? Strasser: Es gibt manche Tage, an denen wir fünf sechs Veränderungen im Portfolio durchführen, an anderen Tagen nehmen wir gar keine Änderung vor – was allerdings auch eine aktive Entscheidung ist. Wir informieren uns am Morgen, was in der Nacht passiert ist, schauen, ob es Abflüsse oder Zuflüsse gegeben hat und diskutieren dann, ob Positionsveränderungen notwendig sind.

Verwalten Sie ganze Fonds oder betreuen sie einzelne Kunden?Strasser: Der Großteil sind Retailfonds, also Fonds, die an Privatkunden verkauft werden, wie zum Beispiel bei der Bank Austria. Aber ich manage auch Fonds für institutionelle Investoren. Dabei erfolgt das Reporting direkt an die Kunden. Was die Qualität des Fondsmanagements betrifft, werden alle Kunden gleich behandelt.

Woher bekommen Sie Informationen?Strasser: Das sind zum einen Berichte, die wir untertags bekommen, auch per Mail, dann beobachten wir die Stände, Währungen und Zinskurven. Analysteneinschätzungen werden ebenso gelesen wie die Nachrichtenlage. Wir nutzen Bloomberg-Schirme und verfügen auch über eigene Datenbanken.

Wie gehen Sie bei der Bewertung von Anleihen vor?Strasser: Wir sehen uns qualitative Faktoren und quantitative Modelle an. Die qualitativen Faktoren sind etwa die Beurteilung von Politik, Budget, Leistungsbilanz und weiteren Dingen, die die Qualität der Wirtschaft eines Landes abbilden. Quantitative Faktoren sind Modelle, um mithilfe von Trendsystemen Zinskurvenbewegungen zu prognostizieren, was allerdings nur dann sinnvoll ist, wenn lange Datenreihen vorhanden sind. Das ist bei Währungen relativ schwierig, weil sie häufige Strukturbrüche aufweisen, und daher geringe Aussagekraft haben.
Was war Ihr größter Erfolg?Strasser: Einer war sicher, dass wir in Zeiten der Lehman-Krise und danach kein Wertpapier hatten, das in den Default gegangen ist.

Wie wichtig ist Ihr Erfolg für Ihr Gehalt?Strasser: Mein Gehalt ist zum Teil auch von Erfolg abhängig. Am Anfang des Jahres werden Ziele festgelegt, die sich aus Peer-Group-Vergleichen und Benchmarkvergleichen zusammensetzen. Beides sieht man sich über den Zeitraum von einem und vier Jahren an, weil der Erfolg ja langfristig sein soll. Das wird dann mit "soft facts" wie Führung oder Kommunikation addiert. All das zusammen ergibt ein Gehaltsschema.

Hat sich das Anlageverhalten in den letzten Jahren geändert? Strasser: Seit Lehman hat sich ein klarer Trend durchgesetzt: Die Kunden wollen jetzt weniger Risiko eingehen.