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"Das ist nicht sehr sozial vom Staat"

Von Ina Weber

Politik

Privat-Vorsorge können sich nicht alle leisten. | Sozialversicherungsbeiträge | Wien. Grün ist es im Wiener Museumsquartier nicht gerade. Doch Karl Öllinger, kommt gerne hierher. Mit schwarzem Sakko, schwarzer Sonnenbrille und I-Pod repräsentiert der Nationalratsabgeordnete und Sozialsprecher der Grünen das Gros der Grünen-Wählerschaft: links-orientiert, wirtschaftsliberal, höheres Einkommen.


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Der typische Grün-Wähler ist "wahrscheinlich eher eine Wählerin", meint Öllinger lachend. "Aber nicht nur. Ein offener Mensch, der wahrscheinlich in vielen Punkten mit dem, was der Öllinger sagt, gar nicht übereinstimmt - aber dem Menschen-, Bürger- und soziale Rechte ein Anliegen sind". "Ich will nicht in einem Land leben, wo es auf der einen Seite Obdachlose gibt und auf der anderen Seite Reiche."

Eine soziale Absicherung für alle, die es brauchen, ist dem Grünen ein besonderes Anliegen. Dafür steht die bedarfsorientierte Grundsicherung auf dem Wahlprogramm. "Das ist kein garantiertes arbeitsunabhängiges Grundeinkommen, das - egal ob arm oder reich - alle unabhängig von Einkommen und Vermögen erhalten sollen", räumt er ein. Vielmehr soll Arbeitslosengeld und Notstandshilfe auf rund 800 Euro brutto gesockelt werden." (s. Kasten)

Für Öllinger zieht sich die Regierung in Sachen Arbeitslosigkeit aus der Verantwortung. "Es wird ständig erklärt, jeder Arbeitslose ist einer zu viel, aber leider kann man nichts machen." Vielmehr sei eine Debatte darüber notwendig, wie die Gesellschaft der Zukunft aussieht. Gibt es überhaupt noch für alle Arbeit?

"Die Regierung behauptet zwar, dass in den letzten Jahren 200.000 Arbeitsplätze geschaffen wurden, wenn man die jedoch auf Arbeitsstunden zurückrechnet, hat sich das Arbeitsvolumen in Österreich überhaupt nicht verändert." Die einen würden über 65 Stunden in der Woche arbeiten, die anderen hätten überhaupt keine Arbeit.

Die großen Betrogenen der Pensionsreform sind für ihn die ganz Jungen. "Die finanzieren dieses System so weiter, als ob es für sie auch noch gelten würde." Die von der Regierung nahegelegte private Pensionsvorsorge gelte nur für jene, die es sich auch leisten können. "Das ist nicht sehr sozial vom Staat", meint Öllinger. In einem ersten Schritt sollten die Sozialversicherungsbeiträge für alle Gruppen vereinheitlicht werden. Dann sollte ein Freibetrag in der Höhe von 100 bzw. 200 Euro bei Niedrigeinkommen geschaffen werden. "Erst im dritten Schritt wäre eine Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage und eine Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge anzudenken."

Wo sieht sich der Grünen-Abgeordnete nach der Nationalratswahl im Herbst? "Ich sehe mich im Nationalrat, hoffentlich", meint Öllinger. Einen Regierungsposten zu bekommen, daran denkt er überhaupt nicht. Falls es die Grünen in die Regierung schaffen sollten, wäre für ihn als Sozialminister ohnehin kein Platz. Denn die SPÖ würde sich dieses wichtige Ressort nicht wegnehmen lassen.

Das Sozialministerium so wie es heute dasteht sei eigentlich kein Sozialministerium, sondern ein Sozialnachlassministerium. "Es ist abgewirtschaftet, es ist zergliedert worden, es fehlen wesentliche Kompetenzen." "Dort aufzuräumen hätte seinen Reiz - aber nicht um jeden Preis." Und Lebensqualität steht bei Öllinger an oberster Stelle. Die entscheidende Frage, die sich ihm nun stellt, ist, ob Themen, die für die Grünen wichtig sind, im Wahlkampf selber eine Rolle spielen werden. "Und da fürchte ich fast, dass sich alles auf das Match Wer wird erster zuspitzen wird", sagt Öllinger.