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Die Krankenhaus-Nord-Programmleiterin wurde beurlaubt, die Staatsanwaltschaft ermittelt, das Geld an den Energetiker soll zurückgeholt werden - und die rot-grüne Stadtregierung bringt nun selbst einen Antrag auf eine Untersuchung ein.
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Wien. Der Bau des Krankenhaus Nord ist um eine Facette reicher: Ein medial veröffentlichter Auftrag des KAV (Krankenanstaltenverbund) an einen Energetiker in der Höhe von 95.000 Euro ließ den KAV-Vorstand erblassen. Die "Wiener Zeitung" hat bereits ausführlich berichtet. Gemeinsam mit Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) distanzierten sich am Dienstag Evelyn Kölldorfer-Leitgeb (stv. Generaldirektorin), Herwig Wetzlinger (Finanzdirektor) und Michael Binder (Direktor für Health Care Management) von dem Auftrag. "Die Vorgehensweise spottet jeder Beschreibung", so Wetzlinger. Von Geldverschwendung und Vertrauensverlust war die Rede. Der Leistungsinhalt lautete Optimierung der Bewusstseins-Struktur des KH Nord. "Das ist nicht tolerierbar. Ich ärgere mich genauso wie die Wiener", so Frauenberger.
Gemeinsam legten sie weitere Details offen. Am 4. Oktober 2017 habe es ein Angebotsgespräch mit dem "Forschungszentrum für Bewusstsein" gegeben. Anfang November wurde der Auftrag erteilt. Der Energetiker stellte für seine Arbeit von November bis Jänner 2018 zwei Rechnungen (35.000 und 60.000 Euro). Den Auftrag erteilte die Programmleiterin des KH Nord, die für die Inbetriebnahme verantwortlich war. In keiner Sitzung hätte sie über den Auftrag berichtet, so Wetzlinger.
"Laufende Untersuchung"
Auch beim zweiten Schritt, bei der Überprüfung der Rechnungen, habe es keinen Aufschrei gegeben. Die Prüfung erfolgte im 8-Augen-Prinzip - die Programmleiterin, ihre zwei Stellvertreter und eine Projektmitarbeiterin.
Die Konsequenzen sollen hart ausfallen, sagte Frauenberger. Die Programmleiterin und einer der beiden Stellvertreter wurden beurlaubt. Eine Suspendierung könne erst nach einer Überprüfung ausgesprochen werden. Bis nach Ostern soll die Gesamtprüfung abgeschlossen sein. Über die Motive der Programmleiterin könne man nichts sagen. "Wir befinden uns in einer laufenden Untersuchung", so Kölldorfer-Leitgeb.
Auch beim bestellten Energetiker, der seinen Auftrag ausgeführt hat, will man sich schadlos halten. Man wolle versuchen, die gesamte Summe zurückzubekommen, so Wetzlinger. Seine Gewerbeberechtigung soll überprüft werden und er soll seine Leistung nachweisen müssen. Laut Homepage hat der Betroffene einen Gewerbeschein für Unternehmensberatung einschließlich Unternehmensorganisation. Als solcher soll er für den KAV auch tätig gewesen sein. Ein Nachweis der Leistung dürfte sich schon schwieriger gestalten.
Die bereits erwähnte Projektmitarbeiterin ist noch gestern, Dienstag, überraschend schnell von einer ihrer Funktionen zurückgetreten. Sylvia Schwarz legte ihr Amt als Präsidentin des Obersten Sanitätsrats, einem Beratungsgremium des Ministeriums, zurück. In einer Aussendung erklärte sie ihren Rücktritt mit der "intensiven medialen Berichterstattung bezüglich des KH Nord". Es sei ihr "ein persönliches Anliegen, dass die Funktion des Obersten Sanitätsrates unangetastet bleibt", so Schwarz.
Beraterin Schwarz tritt zurück
Schwarz war ab 2010 interimistische ärztliche Direktorin des KH Nord. Nach ihrer Pensionierung Anfang 2017 blieb sie beim KAV als externe Beraterin. Ihren freien Dienstvertrag könne man aber erst lösen, wenn ihr etwas nachgewiesen werden würde, so Wetzlinger dazu.
Die Kontrollmechanismen des KAV hätten nicht versagt, sagte Wetzlinger, versagt habe in diesem Fall die Programmleitung, die diesen Auftrag verschwiegen habe. Dass alle Aufträge auch vom Vorstand genehmigt werden müssen, wäre laut KAV "aufgrund der Vielzahl an Aufträgen gar nicht möglich". "Beauftragungen bis zu einer Wertgrenze von 100.000 Euro fallen in die Eigenverantwortung von Führungskräften, konkret Abteilungsleiter, Vorstandsbereichsleiter und Programmleiter." Man könne von Energetik halten, was man wolle, so der Finanzdirektor, bei einem öffentlichen Auftrag habe dies aber nichts verloren. Auch Binder betonte, dass sich der Vorstand von nicht naturwissenschaftlichen Methoden distanziere.
Volksanwaltschaft prüft
Die Staatsanwaltschaft wurde eingeschalten und auch die Volksanwaltschaft will den Fall nun prüfen. Auch "weitere ‚energetische Leistungen‘" in Einrichtungen der Stadt Wien sollen aufgeklärt werden. So sollen im Otto-Wagner-Spital "Geo Waves" zur "Stärkung der körpereigenen Energie, zur Steigerung der Raumqualität und zur Harmonisierung von Störzonen" montiert worden sein. Rot-Grün brachte daraufhin am Dienstag selbst einen Antrag für eine Untersuchungskommission ein. Diese soll laut SPÖ-Wien-Vorsitzender Michael Ludwig "sehr bald" ihre Tätigkeit aufnehmen.
Was bleibt, ist ein Stellvertreter der Programmleiterin, der für den KAV noch tragbar ist. Dieser soll von dem Auftrag nichts gewusst haben. Er soll die Geschicke weiterführen, zumindest so lange, bis die neue Führung übernimmt. Und er muss laut KAV in Zukunft verpflichtend den Vorstand über Beraterverträge informieren.