Turgut Altug ist Gründer der ersten Umweltorganisation für Migranten. | Zur Integration zählt er auch den Umweltschutz.
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Wien. Die Natur kennt keine nationalen Grenzen. "Der Klimawandel betrifft alle, er wird nicht nach Herkunft unterscheiden", meint Turgut Altug, Gründer und Leiter des Türkisch-Deutschen Umweltzentrums in Berlin, scherzhaft. "Wir sitzen alle im gleichen Boot." Am Samstag hält der Agrarwissenschaftler die Eröffnungsrede beim Symposion des Vereins "Sol - Menschen für Solidarität, Ökologie und Lebensstil".
Das Umweltzentrum ist Deutschlands erste Umweltorganisation für Migranten. Seit 2009 gewinnt sie über Beratung und Projektarbeit Einwanderer für Energiesparen, Mülltrennung und ökologische Ernährung. Altug erhielt dafür die Integrationsmedaillie der Bundesregierung.
Auch Umweltschutz hat aus Altugs Sicht etwas mit Integration zu tun. Schon bevor er mit 26 Jahren nach Deutschland gekommen ist, habe er sich für den Umweltschutz eingesetzt. Allerdings hat es in seinem Herkunftsland weit weniger Umweltschutzbewegungen gegeben. "Aber keine einzige deutsche Organisation hat sich bemüht, Migranten anzusprechen." Das änderte Altug. "Das Interesse zeigt uns, dass wir richtig liegen."
Laut Altug interessieren sich auch Zuwanderer für Umweltschutz. "Wenn die Bundesregierung beim Atomausstieg eine hundertprozentige Kehrtwendung macht, geht das an den Migranten nicht vorbei", betont das Mitglied der Grünen. "Vom Gerede über Parallelgesellschaften halte ich nichts. Die Menschen bringen sich ein. Nach Fukushima ist die Atomkraft für alle ein Thema. Die Leute machen sich dann Gedanken über die Verwendung der Atomkraft in Deutschland."
Auch die Zukunft der Umwelt Deutschlands sei ihnen nicht egal. Migranten sagten auch: "Das ist mein Wald, den ich selber schützen will."
Bei der Wissensvermittlung gelte es, für jede Zielgruppe die richtige Sprache zu finden. "Für einen gläubigen Menschen etwa - Christ oder Moslem - ist der sorgsame Umgang mit den Ressourcen der Schöpfung eine religiöse Pflicht." Kürzlich wurde der Umweltschutz bei einem Freitagsgebet in Hamburg thematisiert. Auch zu einer Tagung der Evangelischen Akademie seien vielen Menschen aus der muslimischen Community gekommen. Gemeinsam habe man sich über den Umweltschutz ausgetauscht.
Der Bezug zu Wasser
Auch der Umgang mit Wasser sei gerade für Menschen aus der Türkei wichtig: In der Türkei ist Wasser ein hohes Gut, im Gegensatz zu Europa, wo es kein Problem mit der Süßwasserversorgung gibt. "Als sich die Leute in Deutschland über den Regen beschwert haben, habe ich mich gefragt: Warum? Wo ich aufgewachsen bin, hat es oft nicht geregnet."
Die Beachtung des Umweltschutzes im alltäglichen Leben ist aus Altugs Sicht eher eine Frage der Bildung und der sozialen Lebenssituation als der Herkunft. Das Thema beschäftige aber auch "normale Menschen". Es gehe um ganz praktische Dinge, wie die Auswahl der Lebensmittel oder das Sortieren des Mülls. "So kann man etwas gegen den Klimawandel tun, ohne dieses Wort zu verwenden." Die Arbeit mit den Menschen sei sehr praktisch und nicht akademisch.