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"Das ist wie im Kolonialismus"

Von Bernd Vasari

Politik
Plakat-Serie des Tiergarten Schönbrunn ist für Obiagwu respektlos gegenüber Afrikanern.
© Jenis

Österreichs Afrikaner nicht in "Afrika-Tage" auf der Donauinsel eingebunden.


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Wien. Leonard Obiagwu vom Dachverband der nigerianischen Community in Österreich ("Nanca") kam vor zehn Jahren nach Wien, wo er als Systementwickler arbeitet. Daneben widmet er sich dem Doktorratsstudium in Informatik an der Universität Wien. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erzählt Obiagwu über den Alltag schwarzer Menschen in Österreich.

"Wiener Zeitung": Ab Freitag finden die neunten Afrika-Tage auf der Donauinsel statt. Werden Sie hingehen?Leonard Obiagwu: Ich finde die Afrika-Tage in Wien einerseits toll, weil Afrika wieder zum Thema wird. Auf der anderen Seite muss man sich fragen, wie Afrika bei der Veranstaltung dargestellt wird und wer es veranstaltet. Denn Afrikaner sind hier nicht involviert. Wir haben versucht, mit dem deutschen Veranstalter Event Fokus GmbH in Kontakt zu treten, bekamen aber nicht einmal eine Antwort. Das ist doch wie im Kolonialismus. Hier wird nicht mit, sondern über Afrikaner entschieden. Es geht ausschließlich um das Interesse des Veranstalters und nicht um das Interesse der Afrikaner. Die Darstellung von Afrika ist bei den Afrika-Tagen auch sehr klischeebehaftet.

Auf der Homepage der Afrika-Tage befinden sich Grußworte von Bundeskanzler Werner Faymann, Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und Vizebürgermeisterin Renate Brauner. Wie stark ist der Kontakt von Politikern zu den afrikanischen Communitys?

Kontakt zu Politikern gibt es nur sehr vereinzelt. Und vor allem nicht zu derart hochrangigen Politikern, wie sie auf der Homepage zu finden sind. Bei Veranstaltungen von uns, wie etwa das Nigerian-Cultural-Festival, habe ich noch keinen Politiker gesehen. Leider.

Vor Kurzem gab es große Aufregung über die Plakat-Serie des Tiergarten Schönbrunn, die mit dem Spruch "Meet Africas royal families, living in Vienna" wirbt. Was ist Ihre Meinung dazu?

Es heißt schon viel, wenn man sich traut, mit so einem Spruch zu werben. Bei Nationen, die nicht aus Afrika sind, wäre das undenkbar. Bei Afrika haben sie es leicht, weil sie wissen, dass ihnen keiner etwas tun kann. Auch Beschwerden von Menschen aus der afrikanischen Community haben nichts geholfen. Das ist einfach respektlos.

US-Präsident Barack Obama sagte unlängst, dass es jedem Schwarzen schon einmal passiert sei, dass Frauen etwa ihre Handtasche festhalten, wenn ein Schwarzer mit ihnen im Lift fährt. Ist Ihnen das auch schon passiert?

Ja, dem kann ich zustimmen. Man steht zudem ständig unter Beobachtung. Zum Beispiel, wenn man im Supermarkt einkaufen geht. Da muss man sehr vorsichtig sein, dass alles korrekt verläuft. Dann kann man relativ unbehelligt einkaufen. Sobald man aber beim Zahlen etwas länger braucht, das Geld zählt oder mit Münzen zahlen will, dann geht sofort ein Murren durch die Runde. Als Afrikaner hat man das Gefühl, dass man das Geld bereits richtig gezählt haben muss, bevor man überhaupt den Preis erfährt. Wegen eines Afrikaners will sich schließlich niemand aufhalten. Komische Blicke erntet man auch, wenn man sehr viel einkauft. Die Hautfarbe spielt aber auch bei der Wohnungs- und Arbeitssuche eine starke Rolle. Am Telefon hört man die Farbe ja nicht. Wenn man dann aber vor der Wohnung steht, ist diese meist schon vergeben. Andere machen auch nicht auf. Diskriminierung findet auch vor Diskotheken statt. Dort verlangt man dann eine Clubkarte mit der man hineinkommt. Dabei gibt es aber gar keine Clubkarte.

Inwieweit wirken sich erfolgreiche Personen aus der afrikanischen Community - wie etwa David Alaba - auf das Afrika-Bild der Mehrheitsgesellschaft aus?

Das Bild wird dadurch langsam besser. Wobei erfolgreiche Schwarze, wie David Alaba, nicht mehr als Afrikaner, sondern als Stars gesehen werden. Die anderen bleiben aber die Afrikaner.

Woran liegt das?

Für viele Menschen in Österreich ist Afrika das kleinste Dorf in Österreich. Die Vielfalt des ganzen Kontinents wird nicht gesehen. Für viele ist es unvorstellbar, dass sich Afrikaner untereinander nicht unterhalten können, weil sie verschiedene Erstsprachen haben. Als Schwarzer fühlt man sich immer noch als Fremder, auch wenn man schon seit 20, 30 Jahren hier lebt. Man wird als Ausländer gesehen, weil man eine andere Hautfarbe hat. Auch wenn es wenige sind: Es gibt auch Österreicher mit schwarzer Hautfarbe. Nur das wird nicht wahrgenommen, denn schwarz ist Afrikaner. Punkt.

Wie könnte man die Situation für schwarze Menschen in Österreich verbessern?

Es müssten auch die positiven Seiten von Afrika gezeigt werden. Stattdessen sieht man immer nur leidende Menschen, die dann auch noch würdelos abgebildet werden. Das mache man, damit die Menschen mehr spenden, heißt es. Bei der Hochwasserkatastrophe in Österreich haben auch viele Menschen gelitten. Diese Menschen wurden aber mit Würde dargestellt und haben das Geld trotzdem bekommen. Der Zweck kann also auch anders erreicht werden. In öffentlichen Berufen gibt es kaum Schwarze. Wie viele sieht man als Straßenbahnfahrer oder bei der ÖBB? Auch als Bankangestellter habe ich noch keinen gesehen. Stattdessen arbeiten viele in niedrigeren Berufen. Es wäre wichtig, wenn es sich am Arbeitsplatz mischt. Man redet viel von Integration. Die sollte aber nicht nur einseitig sein. Wenn ich die Hand ausstrecke und der andere nicht, was soll ich dann noch tun?

Vom 26.Juli bis 4. August finden auf der Donauinsel
die 9. Afrika-Tage in Wien statt. Veranstaltet wird das Festival von der Münchner "Event Fokus GmbH".