Bündelanleihen, Schuldscheindarlehen: höhere Kosten, heikle Investorensuche.
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Wien. Einige heimische Großbanken feilen mit Hochdruck daran - und auch, wenn noch nicht alle von ihnen schon spruchreife Konzepte fertig haben, ist die Richtung klar: Mittelständische Unternehmen sollen weg von der reinen Kreditfinanzierung in Richtung Kapitalmarkt gebracht werden. 2012 soll für viele das Jahr der neuen Geldquellen werden. Durch die steigenden Eigenkapitalanforderungen für Kredite seitens der Regulierungsbehörden können es sich die Banken nicht länger leisten, Mittelständler ausschließlich aus eigener Kraft zu finanzieren. Gleichzeitig sind diese Firmen jedoch oft zu klein, um am Kapitalmarkt bestehen zu können.
Hauptproblem ist, dass viele Betriebe Finanzierungen zwischen zehn und fünfzig Millionen Euro benötigen, es aber bei derart kleinen Anleiheemissionen kaum Investoreninteresse gibt. Anleihen können erst ab 50 Millionen Euro sinnvoll platziert werden. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, sieht Sebastian Erich, Chef des Großkundengeschäfts bei der Erste Bank, in Bündelanleihen.
Sicherer als Staatsanleihen?
Dabei werden mehrere Unternehmensfinanzierungen in einer einzigen Anleihe zusammengefasst, die dann insgesamt ein Volumen von 50 bis 100 Millionen Euro aufweist. Der Investor kauft ein Wertpapier, das mehrere Einzelemissionen bündelt, die Bank übernimmt Strukturierung und Investorensuche. "Es gab Initiativen in der Vergangenheit, die nicht so glücklich verlaufen sind", gibt Erich zu. Heute seien jedoch sowohl Angebot als auch Nachfrage vorhanden.
Knackpunkt ist, dass Investoren dazu gebracht werden müssen, Unternehmen Geld zu borgen, die meist eher unbekannt sind und keine klingenden Namen tragen. Man könnte bei einer solchen Bündelanleihe zum Beispiel einen regionalen Fokus setzen - also Unternehmen zusammenfassen, die in derselben Gegend beheimatet sind - oder auch auf ein bestimmtes Industriesegment abstellen.
Erich ist überzeugt, dass eine Investition in ein gut diversifiziertes Portfolio mit österreichischen Unternehmen weniger riskant sei als eines in Staatsanleihen mancher Euro-Staaten. Gerade Versicherungen seien im Moment "überliquide" und auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten. Erich wünscht sich auch die Unterstützung der Politik: Diese solle Investitionen in die österreichische Volkswirtschaft zumindest öffentlich gutheißen. Falls Investoreninteresse fehlt, könne eine gewisse Förderung - etwa über eine Steuerbegünstigung - "sinnvoll" sein.
Ebenfalls an Bedeutung gewinnen sogenannte Schuldscheindarlehen. Im Unterschied zu Anleihen werden diese Schuldscheine nicht am Markt gehandelt, sondern von der Bank an andere Investoren weitergegeben. "Schuldscheindarlehen zahlen sich schon bei einem Volumen von 5 bis 10 Millionen Euro aus", so Erich. Auch Andrea Vaz-König, Bereichsleiterin für Unternehmensfinanzierung bei der Bawag PSK meint, dass dies für Firmen "ein interessanter erster Schritt" sein könne, um die "Usancen des Kapitalmarktes kennenzulernen".
Gottfried Ransmayr, Chef der Abteilung für Kapitalmarktfinanzierungen bei der Bank Austria, sieht die gängige Größe eines Schuldscheindarlehens ab 20 bis 30 Millionen Euro aufwärts. Positiv für Investoren sei, dass diese die Schuldscheine nicht zu täglichen Marktwerten in ihren Büchern führen müssten. Abschreibungen aufgrund von Marktturbulenzen sind also nicht notwendig.
Eine Hürde sei jedoch, dass auch für ein Schuldscheindarlehen ein Unternehmen zumindest einen Jahresumsatz von 300 Millionen Euro aufweisen müsse, meint Ransmayr. Schließlich richten sich die Zinsen nach der Rückzahlungsplausibilität, und eine Firma, die 300 Millionen Euro Umsatz hat, kann eher Geld auf die Seite legen als eine mit 80 Millionen Euro Umsatz.
Preise gibt der Markt vor
Andrea Vaz-König von der Bawag sieht auch im Bereich syndizierter Kredite eine gute Möglichkeit, ein Unternehmen einer breiteren Gruppe von institutionellen Investoren zugänglich zu machen. Sonst verweist sie auf Instrumente wie den Verkauf von Forderungen oder staatliche Haftungen bei Auslandsfinanzierung, um bestehende Kreditlimite zu entlasten.
Knackpunkt für den Schritt in Richtung Kapitalmarkt sind jedenfalls die Kosten: Derzeit sind Kredite, für die meist ja auch Sicherheiten gestellt werden, für Unternehmen von den Zinsen her oft günstiger als das Emittieren von Anleihen oder Schuldscheinen. Ransmayr geht jedoch davon aus, dass sich das mit den steigenden Refinanzierungskosten der Banken selbst angleichen wird. Sebastian Erich von der Erste Bank sieht als eine der Grundvoraussetzungen für kapitalmarktähnliche Finanzierungen, dass die Unternehmen die Preisvorgaben des Marktes akzeptieren müssen. Er rechnet - je nach Bonität - mit einer Verdoppelung bis Verdreifachung der Finanzierungskosten.
Ein Kulturschock sind für Mittelständler oft die Kommunikationsanforderungen, die der Kapitalmarkt an sie stellt. Viele Betriebe sind es nicht gewohnt, überhaupt wirtschaftliche Kennzahlen zu veröffentlichen. Investoren wollen hingegen zeitnah alles Wesentliche erfahren. Trotz dieser zusätzlichen Anforderungen werden viele Firmen jedoch nicht umhin kommen, ihre eigene Finanzierung - weg vom reinen Bankkredit - zu diversifizieren. Erich betont: "Im ersten Quartal 2012 müssen wir mit sinnvollen Lösungen herauskommen."