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"Das Jahr der Privatisierungen"

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglou

Politik

Kostas Hatzidakis schwört auf den Euro und halbwegs niedrige Steuern.


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"Wiener Zeitung": Herr Minister, Sie sind mittlerweile Griechenlands fünfter Wirtschaftsminister seit dem Ausbruch der Hellas-Krise im Frühjahr 2010. Und in Vorgängerregierungen waren Sie Minister für Transport und Entwicklung. Im Dezember 2010 wurden Sie auf offener Straße attackiert. Sind Sie mit Ihrem Job zufrieden?

Kostis Hatzidakis: Es ist überhaupt nicht erfreulich, derzeit griechischer Wirtschaftsminister zu sein. Wir stecken im sechsten Jahr der Rezession. Das ist aber noch unerfreulicher für die Bürger dieses Landes, die das am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Ich sehe jedoch erste zarte Anzeichen dafür, dass dies das Jahr der Wende sein wird.

Einer Ihrer Vorgänger erklärte, die Griechen führen einen "Krieg gegen die Rezession".

Das ist der Krieg unserer Generation. Wir müssen ihn gewinnen. Es ist Zeit, dass wir nun endlich positiv überraschen.

Wie wollen Sie das schaffen?

Mit gesundem Menschenverstand, Kooperation mit unseren europäischen Partnern und Beharrlichkeit. Wir wollen den Sparkurs fortsetzen, um die Staatsfinanzen zu konsolidieren, die Reformen vorantreiben und auf jeden Fall die politische Stabilität im Lande sichern.

Ihre Partei, die konservative Neue Demokratie, hat Griechenland seit dem Ende der Obristendiktatur 1974 sechzehn Jahre alleine regiert - auch Sie waren schon vor der Krise ein führender Minister. Seit den jüngsten Wahlen im Juni koaliert Ihre Partei mit den Pasok-Sozialisten, ihrem ewigen Widersacher. Wie sollen ausgerechnet die gleichen Akteure, die das Land in diese schwere Krise manövriert haben, das Land nun retten?

Wir sind ein demokratisches Land. Wir hatten erst kürzlich Wahlen - und die Bürger haben entschieden. Erstmals regiert eine Koalition das Land. Sie wird von allen pro-europäischen Kräften aus dem gesamten Parteienspektrum gestützt. Ich kann auf keinen Fall akzeptieren, dass früher in Griechenland alles schiefgelaufen ist. Es gibt Dinge, die bereits geändert worden sind und andere, die noch geändert werden müssen. Aber es gibt auch Dinge, die in diesem Land funktionieren.

Zum Beispiel?

Die im Ausland weitverbreitete Auffassung, wonach Griechenland nicht die bereitgestellten Gelder aus den EU-Fördertöpfen abruft, ist falsch. Wir liegen dabei über dem europäischen Durchschnitt.

Ferner ist der Arbeitsmarkt reformiert und das Transportwesen völlig liberalisiert worden.

Obendrein kooperieren wir mit der Weltbank und der OECD, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Die Situation hat sich stark verbessert. Aus drei Gründen: Der Verbleib Griechenlands in der Eurozone wird nicht mehr in Zweifel gezogen. Zudem haben wir eine stabile Regierung. Drittens haben wir eine Reform-Agenda.

Nach den Wahlen hatte die Regierung 179 Abgeordnete im 300 Mandate zählenden Parlament. Nach nur sieben Monaten ist diese Mehrheit auf 163 geschrumpft. Ist die Regierung wirklich so stabil?

Allen Unkenrufen zu Trotz: Ja. Einige von den Abgeordneten, die den Regierungsfraktionen nicht mehr angehören und jetzt unabhängig sind, stimmen im Parlament für Gesetzentwürfe der Regierung. Die Konfliktlinie lautet: Europa oder der Abgrund. Sie entscheiden sich für Europa.

In der griechischen Gesellschaft brodelt es aber heftig. Proteste und Streikaktionen wollen nicht abebben. Die Gewerkschaften gehen auf die Barrikaden. Der soziale Frieden ist in weite Ferne gerückt.

Wehe, wenn nach so einem harten Sparkurs, rapide fallenden Einkommen und einer noch nie dagewesenen Arbeitslosigkeit von jetzt fast 27 Prozent jemand erwarten würde, dass die Bürger zufrieden wären und nicht reagieren. Das wäre paradox.

In diesen Tagen ist in Athen eine Wiedergeburt der Stadtguerilla zu beobachten. Unbekannte haben kürzlich mit Schnellfeuerwaffen die Athener Zentrale Ihrer Partei Neue Demokratie beschossen. Droht der Bürgerkrieg?

Die Wirtschaftskrise spiegelt sich im politischen Leben wider. Wir sind auf einer schwierigen Fahrt. Aber das Schiff wird auch bei hohem Wellengang sicher in den Hafen einfahren.

Weshalb soll man in Griechenland investieren?

Weil nach fünf Jahren Rezession und der Herabsenkung von Löhnen und Gehältern die Krise eine Chance für Investoren bietet. Hewlett Packard will den Hafen von Piräus benutzen, um seine Produkte in Europa zu vertreiben. Philip Morris will hier investieren, Unilever ebenso.

Auf der anderen Seite verlegen einheimische Großunternehmen wie der Coca-Cola-Abfüller CCH ihren Firmensitz ins Ausland. Derzeit haben 26 an der Athener Aktienbörse notierte Unternehmen Insolvenz angemeldet.

Ich gebe mich keinen Illusionen hin. Das sind die Folgen der Turbulenzen in der Krise. Aber wir haben schon mehr als die Hälfte hinter uns gebracht.



Griechenland hat schon 2010 das größte Privatisierungsprogramm der Welt ausgerufen. Passiert ist bisher sehr wenig.

Das Jahr 2013 wird das Jahr der Privatisierungen sein.

Die russische Gazprom will offenbar die griechischen Gasversorger Depa und Desfa erwerben. Die Chinesen sehen Griechenland als Pforte nach Europa. Sie sind schon im Hafen von Piräus aktiv. Steht die Athener Regierung russischen und chinesischen Investoren völlig offen gegenüber? Europäer und Amerikaner scheinen ein Engagement aus Moskau und Peking offenbar nicht mit Wohlwollen zu betrachten.

Das ist nicht die Sache der Athener Regierung, sondern der im August 2011 ins Leben gerufenen Privatisierungsbehörde Taiped. Ferner hat die Troika zwei Vertreter in Taiped sitzen. Lassen Sie mich aber Folgendes betonen: Europäische Unternehmen sind hochwillkommen, in Griechenland zu investieren. Das müssen sie aber wollen. Wir können niemanden zwingen, an dem griechischen Privatisierungsprogramm teilzunehmen. Auf der anderen Seite werden wir aber auch keine Interessenten vorab ausschließen.

Ist die Zeit reif, auch die Reichen in Griechenland zur Kasse zu bitten?

Die Zeit ist für diejenigen reif, die Steuern hinterziehen.

Da wird Ihnen niemand widersprechen. Aber die Frage ist auch, wie viel die Reichen laut Gesetz zahlen müssen. In Frankreich müssen die Reichen künftig mehr bluten. Wäre das nachahmenswert?

Sehr hohe Steuern tragen nicht dazu bei, dass eine Wirtschaft in Gang kommt. Aber: Wir Griechen entscheiden in dieser Frage seit 2010 nicht alleine, sondern mit der Geldgeber-Troika.