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Das Jahrzehnt der Technokraten

Von WZ-Korrespondent Wu Gang

Politik

Chinas Kommunistische Partei feiert die abgelaufene Dekade mit einer Großausstellung.


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Vier Generationen: Mit Bussen werden KP-Mitglieder zur Ausstellung gekarrt - um sich dort vor Porträts der Vorsitzenden Mao Zedong, Deng Xiaoping, Jiang Zemin und Hu Jintao ablichten zu lassen. Wu Gang

Peking. Alle Mitglieder der Kommunistischen Partei Chinas - immerhin 82 Millionen Menschen - haben dieser Tage eine Aufforderung bekommen, sich eine Großausstellung in der Pekinger Messehalle anzusehen. Im stalinistischen Prunkgebäude in der Nähe des Zoos feiert die Partei die "wissenschaftliche Politik" unter Parteiführer Hu Jintao und blickt zurück auf die letzten zehn Jahre, die aus Sicht der Propaganda ein "goldenes Jahrzehnt" waren.

Mit Bussen werden die Mitglieder der Teilorganisationen, vom Jugendverband bis zu Altveteranen, angekarrt. Auch ausgewählte Journalisten dürfen die Errungenschaften im Staatsaufbau, Wirtschaft und Wissenschaft bewundern. Das Gezeigte vermag durchaus zu beeindrucken, man sieht etwa Modelle der Shenzhou-Raumschiffe, das Tiefsee U-Boot Jialong - und vor allem viele Statistiken und Bilder des scheidenden Staatspräsidenten. "Leider hatten wir nicht genügend Platz, um wirklich alle Erfolge zu zeigen", meint die Führerin am Ende lächelnd.

Damit hat sie recht, denn vieles zeigt die Jubelschau eben nicht. Die Bilanz der Ära Hu Jintao fällt durchwachsen aus. Zwar hat sich das Bruttoinlandsprodukt seit 2002 viermal verdoppelt, die Volksrepublik stieg zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht mit einer stabilen Mittelschicht auf. Im sozialen Bereich wurde eine landesweite Krankenversicherung eingeführt, eine Rentenversorgung ist in Arbeit. In Armee und Infrastruktur wurde kräftig investiert, Großereignisse wie Olympia oder die Expo in Shanghai waren sichtbarer Ausdruck der neuen Stärke. Heute ist China das Land mit den größten Devisenreserven, die Eurozone hofft auf Hilfe der asiatischen Großmacht.

Eine Politik der harten Hand

Doch die Schattenseiten zeigen sich im vielleicht größten Erfolg des Hu Jintao: Während der Weltwirtschaftskrise reagierte sein Regime blitzschnell, verabschiedete milliardenschwere Konjunkturpakete und stimulierte mit Steueranreizen und Krediten die Binnenwirtschaft. Die Bindung des Renminbi an den Dollar verhütete Schlimmeres im Außenhandel. Davon profitierte jedoch primär der Staatssektor - die Privatwirtschaft wurde geschwächt, die Inflation angeheizt.

Heute gibt es in China 600 Milliardäre und eine Million (Dollar)Millionäre, doch in keinem anderen ostasiatischen Staat hat sich die Kluft zwischen Arm und Reich so vertieft wie hier. Küsten- und Binnenregionen drifteten auseinander, die Umweltprobleme sind schwerwiegend und die Hoffnung auf politische Reformen erfüllte sich nicht.

Messehalle Peking: Chinas KP präsentiert Errungenschaften.

Im Gegenteil: Nach dem Arabischen Frühling veranlasste Hu, noch schärfer gegen Kritiker und Dissidenten vorzugehen. "Wei wen", die Bewahrung der Stabilität, wurde zum Leitsatz seiner Politik. In den vergangenen zwei Jahren haben die Ausgaben für innere Sicherheit erstmals jene für das Militär übertroffen. Besonders Tibet und Xinjiang, die von Muslimen bewohnte Westprovinz, bekamen die harte Hand Pekings zu spüren. Trauriges Ergebnis sind mehr als 60 Selbstverbrennungen von Tibetern im vergangenen Jahr, für die Hu Jintao den Dalai Lama verantwortlich macht.

Hus Ministerpräsident Wen Jiabao sprach sich zwar gelegentlich für Politreformen, Wahlen und universelle Rechte aus - es blieb jedoch bei Ankündigungen. Immerhin konnte der stets freundliche Wen außenpolitisch punkten, denn international machte sich der unbewegliche Hu wenig Freunde.

ür westliche Besucher galt er als schwieriger Gesprächspartner, der den Ruf eines "Apparatschiks" hatte. Er selbst kann mit der Bezeichnung "Technokrat" vermutlich gut leben: Hu verwaltete China während seiner Amtszeit eher wie eine Firma oder ein technisches Konstrukt.

Seine ideologische Hinterlassenschaft ist minimal, sein Erbe groß: Nachfolger Xi Jinping wird viel zu tun haben, die ungelösten Probleme sowie die Korruption in den Griff zu bekommen.

Der Kongress beginnt am Donnerstag um 9 Uhr in der Großen Halle des Volkes im Zentrum Pekings und wird bis 14. November dauern. Auf der Tagesordnung stehen vier Punkte:

  • Anhörung und Prüfung des abschließenden Berichts des 17. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas.

  • Prüfung der Arbeit der Zentralen Kommission für Disziplinare Kontrolle.

  • Beratung der Änderungen der Parteikonstitution.

  • Wahl des 18. Zentralkomitees der Partei sowie der Zentralen Kommission für Disziplinare Kontrolle.

Der Kongress setzt sich aus amtierenden Führern, Ministern, Generälen, Gouverneuren, Bürgermeistern und Managern der Staatsbetriebe und Banken zusammen. Insgesamt nehmen 2270 Delegierte teil, darunter Berühmtheiten wie Mao Zedongs Enkel Mao Xinyu und die Olympia-Gold-Gewinnerin in Badminton, Zhao Yunlei. Xi Jinping soll zum Staatspräsidenten gewählt werden, Li Keqiang zum Ministerpräsidenten. Der Ständige Ausschuss des Politbüros, die Machtzentrale Chinas, soll von neun auf sieben Mitglieder verkleinert werden. Über Namen wird nach wie vor spekuliert.