Um möglichst viele Zielpunkt-Arbeitsplätze zu erhalten, soll das Wettbewerbsrecht verändert werden - damit sind Rewe und Spar im Spiel.
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Wien. 2708 Arbeitsplätze bei Zielpunkt, weitere 180 bei Pfeiffer, die für Zielpunkt tätig waren. Ihnen allen droht nach dem Konkurs der Handelskette die Arbeitslosigkeit - hinein in einen ohnehin schwachen Arbeitsmarkt. Die Politik scheint sich aus diesem Grund zum Handeln zu entschließen.
Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner sagte am Dienstag nach dem Ministerrat, dass die Mitarbeitersituation im heimischen Kartellrecht keine Rolle spiele - im Gegensatz zu Deutschland. Das sei eine "Zukunftsaufgabe".
Damit ist nun die Katze aus dem Sack. Denn der Paragraph 3 des Kartellrechts ermöglicht es dem Justiz- und Wirtschaftsminister, per Verordnung Ausnahmen aus dem Kartellverbot zu definieren. Keine leichte Aufgabe und auch nicht unumstritten, aber für die 3000 betroffenen Mitarbeiter eine Chance.
Hinter den Kulissen arbeitet die Regierung - auch mit dem Sozialministerium - bereits an einer solchen Änderung, ist zu hören. Damit sind Rewe und Spar, die gemeinsam fast 70 Prozent des Lebensmittel-Einzelhandels beherrschen, im Spiel. Kartellrechtlich wäre es vermutlich darstellbar, Zielpunkt hatte zuletzt knapp drei Prozent Marktanteil. "Ob die ein paar Prozent mehr Marktanteile haben, ist mir egal", sagte GPA-Vorsitzender Wolfgang Katzian, dem es um die Jobs geht.
Die Baumax-Pleite steckt allen in den Knochen, denn trotz Übernahme durch OBI sind dort schlussendlich 1500 Mitarbeiter auf der Strecke geblieben, da auch Lieferanten pleitegingen (wie etwa eine Grazer Großgärtnerei). Rewe kann die Ketten Billa, Merkur, Penny, Adeg und Bipa ins Rennen schicken. Spar ist mit Interspar, Eurospar und Hervis (Sportartikel) präsent. Beide Konzerne sind grundsätzlich bereit, sich die 229 Zielpunkt-Filialen genau anzuschauen.
In der Bundeswettbewerbsbehörde läuft seit vergangenem Freitag ein "Screening", zu wem welche Filialen passen könnten. Das betrifft aber auch andere Filialisten wie Deichmann (Schuhe). Und Lidl, der Hofer derzeit angreift, soll sich für Zielpunkt-Filialen interessieren, die in Stadtrand-Lage mit Parkplatz ausgestattet sind.
Experten rechnen mitRettung von zirka 2000 Jobs
Nach ersten Berechnungen von Handelsexperten, die zum jetzigen Zeitpunkt anonym bleiben wollen, könnten unter Einbeziehung von Rewe und Spar in die Verwertung zirka 2000 Jobs gerettet werden. Auch der Masseverwalter Georg Freimüller hätte wohl nichts gegen eine solche Vorgangsweise, er benötigt aber davor eine klare politische (und damit legistische) Lösung. Von sich aus darf er Rewe und Spar nichts anbieten.
Die jüngsten Arbeitsmarktdaten lassen befürchten, dass die Arbeitslosenrate diesen Winter die Zehn-Prozent-Marke überschreiten wird. Die Regierung versucht, dies zu verhindern, da eine solche Nachricht die erhoffte Stimmungsverbesserung durch die Steuerreform verhindern könnte.
Bei einer solchen Lösung würde Georg Pfeiffer, dessen Unternehmen Zielpunkt in Konkurs schickte, ein gutes Geschäft machen. Er ist Eigentümer von fast 80 Filialen und gleichzeitig Hauptmieter. Eine Entscheidung, ob diese Vorgangsweise gewählt wird, soll in Kürze fallen. Zielpunkt ist in Konkurs, der Masseverwalter verfügt derzeit über keine Finanzierungsmittel. Es würde ihm also nichts anderes übrig bleiben, als Filialen möglichst rasch zu schließen, um weiteren Schaden für die Gläubiger abzuwenden. Das aber würde eine "Paket-Lösung" mit den Marktgrößen im Einzelhandel unmöglich machen. Sobald die Filialen geschlossen ist, wäre Georg Pfeiffer frei in seiner Entscheidung, was er damit macht. Und eine Schuhfiliale beschäftigt ein Zehntel der Mitarbeiter einer Lebensmittel-Filiale. Die jetzigen Zielpunkt-Mitarbeiter wären dann ihre Jobs endgültig los, da eine Wurstverkäuferin nicht auf Knopfdruck als Schuhverkäuferin arbeiten kann.
Wer steckte hinter Zielpunkt-Kauf 2012?
Der von den Pfeiffer-Anwälten eingebrachte Zielpunkt-Konkursantrag beschäftigt weiterhin die Gläubiger. Mittlerweile kristallisiert sich heraus, dass Pfeiffer nicht erst Anfang 2014, sondern vermutlich bereits seit Dezember 2012 wirtschaftlicher Eigentümer von Zielpunkt gewesen ist. Pfeiffer war offiziell im April 2012 mit 24,9 Prozent bei Zielpunkt eingestiegen. Eine BOW Beteiligungsgesellschaft kaufte im Dezember desselben Jahres 75,5 Prozent vom damaligen Zielpunkt-Chef Jan Satek. Satek kaufte Zielpunkt im Februar 2012, schon damals war gerüchteweise von einem Einstieg Pfeiffers die Rede. Die BOW gehörte dem Linzer Anwalt Gerald Schmidsberger, der in jener Kanzlei arbeitet, die als Pfeiffer-Anwälte fungieren - und nun den Zielpunkt-Konkursantrag stellten. Im Dezember 2012 wurde der Wettbewerbsbehörde gemeldet, dass es zwischen Schmidsberger und Pfeiffer keinen Treuhandvertrag gebe, aber ein Vorkaufsrecht.
Die enge Verbindung zwischen der Anwaltskanzlei, die auf Geschäfte mit maroden Firmen spezialisiert ist, und Georg Pfeiffer, wird nun wohl untersucht. Der Masseverwalter ist gemäß Insolvenzrecht befugt, Transaktionen des Schuldners zu prüfen, die bis zu zehn Jahre zurückreichen, wenn es den Verdacht der Benachteiligung von Gläubiger gibt. Das wäre im Fall Zielpunkt vor allem der Insolvenzentgeltfonds, der gemäß Konkurs mit 56 Millionen zur Kasse gebeten werden soll. Der Masseverwalter wird dabei aber die Frage zu prüfen haben, ob dieser Aufwand gerechtfertigt ist.