Man nennt sie die "Grande Dame der österreichischen Zeitgeschichte". Die angesehene Historikerin Erika Weinzierl, deren Leben der Aufarbeitung des Nationalsozialismus galt und gilt, feiert am Montag (6.Juni) ihren 80. Geburtstag.
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Trotz ihres hohen Geburtstags ist sie weiter täglich am Institut für Zeitgeschichte. "Und werde das auch bleiben. Das steht mir auch zu, wenn der Raum vorhanden ist, bis an mein Lebensende", so Weinzierl in einem APA-Interview.
Feiern will Weinzierl ihren Geburtstag eigentlich nicht. "Ich feiere gar nicht. Ich werde leider zu viel gefeiert. Es ist schon schlimm genug, wenn man 80 wird." Bereits am Freitag "feiert mich mein Institut", weitere Veranstaltungen wird es von Montag bis Mittwoch geben.
Weinzierl befasste sich in ihrer Laufbahn vor allem mit den Themen Kirchengeschichte, Widerstandsbewegung und Antisemitismus. Knapp nach ihrem 70. Geburtstag emeritierte Weinzierl im Juni 1995 als Universitätsprofessorin, allerdings blieb sie auch danach weiterhin wissenschaftlich tätig. Ihre derzeitigen Tätigkeiten: "Vorträge und Publizieren".
Erika Weinzierl wurde am 6.Juni 1925 als Erika Fischer in Wien geboren. Noch während des Krieges begann sie ihr Medizinstudium, 1945 wechselte sie aber zu Geschichte und Kunstgeschichte. Nach nur drei Jahren schloss sie 1948 ihr Studium ab. Parallel absolvierte sie den Lehrgang des Instituts für Geschichtsforschung an der Universität Wien.
Während ihres Studiums lernte sie auch ihren Mann, den späteren Professor für Experimentalphysik, Peter Weinzierl, kennen. 1950 wurde Sohn Michael geboren, 1954 der zweite Sohn Ulrich. Peter Weinzierl verstarb im Mai 1996, im Juni 2002 musste die Historikerin einen weiteren Schicksalsschlag hinnehmen, als ihr Sohn Michael 51-jährig an einem Herzinfarkt verstarb.
Bis 1964 arbeitete die Historikerin als Archivarin im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. Bereits 1961 habilitierte sich Weinzierl für Österreichische Geschichte an der Universität Wien mit einer Arbeit über "Die österreichischen Konkordate von 1855 und 1933". Von 1964 bis 1992 war sie Vorstand des Instituts für kirchliche Zeitgeschichte am Internationalen Forschungszentrum Salzburg.
1967 wurde Weinzierl außerordentliche, 1969 ordentliche Professorin für Österreichische Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Zeitgeschichte an der Universität Salzburg. 1969 erschien ihr bekanntes Werk "Zu wenig Gerechte. Österreicher und die Judenverfolgung 1938-1945". 1973 begann Weinzierl ihre Funktion als Herausgeberin der Monatszeitschrift "Zeitgeschichte". Sie leitete das Ludwig-Boltzmann-Institut für Geschichte und Gesellschaft, ab 1978 las sie am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, deren Vorstand sie auch von 1979 bis 1990 war.
Sie selbst hat sich in einem Interview einmal als "Linkskatholikin" und ehemalige "Links-ÖVPlerin" bezeichnet. 1995 ist sie jedoch - nach 30 Jahren Mitgliedschaft - aus der ÖVP ausgetreten. Anlassfall "war der erste Versuch von Wolfgang Schüssel, mit Jörg Haider und der Haider-FPÖ eine Regierungskoalition einzugehen", so Weinzierl, die nach eigenen Angaben seit damals SPÖ wählt.
"Inakzeptabel" sind für sie selbstverständlich die Aussagen der Bundesräte John Gudenus und Siegfried Kampl. "Für verantwortliche politische Positionen kommen sie meiner Meinung nach wirklich nicht in Frage", so Weinzierl in einem APA-Interview. Kampls Rücktritt vom Rücktritt finde sie "unmöglich". Kampl sollte schon nicht einmal Mitglied des Bundesrates sein und schon gar nicht Präsident. "Das wirft kein gutes Licht auf Österreich."
Nach Ansicht von Weinzierl sind solche Aussagen auch nicht durch persönliche Erfahrungen zu entschuldigen, höchstens zu erklären. Die einzige akzeptable Konsequenz ist für Weinzierl ein Rücktritt. Sowohl Kampl als auch Gudenus hält Weinzierl allerdings auch nicht für "intellektuelle Kapazitäten".