)
Das Match Obama gegen Romney wird auch im Kabelfernsehen entschieden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
New York. Die Frage, inwieweit die amerikanische Politik von den Medien mitentschieden wird, ist so alt wie die Vereinigten Staaten selbst. Ebenso wie das Land zeigen sich seine Medien und ihre verlautbarten politischen Haltungen heute gespaltener als selten zuvor; und es ist vielleicht bezeichnend, dass der geachteten Medienwissenschafterin, Reporterin und Buchautorin Brooke Gladstone (zuletzt "The Influencing Machine", Norton Verlag 2011), die auf dem quasi öffentlich-rechtlichen Sender NPR das Magazin "On the media" moderiert, "als einziges Äquivalent für den Status quo" 2012 die Jahre vor und nach dem erfolgreich absolvierten Unabhängigkeitskrieg (1776-1783) einfallen.
Als Beleg für ihre These verwies Gladstone jüngst vor allem anderen auf die Situation im US-Kabelfernsehen (dessen Tradition, nebenbei, bis Ende der Vierzigerjahre zurückreicht): "Was die Cable News Networks angeht, gibt es beachtliche Parallelen zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts." Damals bezahlten George Washington, der erste Präsident der USA, und seine Gründungsvaterkollegen Thomas Jefferson und Alexander Hamilton Zeitungen dafür (wenn sie nicht sogar, wie im Fall Hamiltons und Jeffersons, sogar eigens welche gründeten), unter ihren wahlberechtigten Landsleuten Falschmeldungen über den jeweiligen politischen Gegner zu streuen. Hielten sich die Halbwahrheiten, Verleumdungen und Denunziationen damals noch in überschaubarem Rahmen, werden heute jene rund 60 Prozent der Amerikaner, die über einen Kabelanschluss verfügen, 24 Stunden am Tag damit bombardiert.
Nicht umsonst: Die Mehrheit der Kunden lebt in den Vororten oder im Umfeld der Metropolen, bildet das, was man bis zur Jahrtausendwende als "klassischer Mittelstand" empfand, und damit die wichtigste Zielgruppe im heraufdräuenden Präsidentschaftswahlkampf. Was die empirisch erhebbaren Fakten angeht, hätten Amtsinhaber Barack Obama und seine Partei, die Demokraten, praktisch keine Chance auf eine Wiederwahl - wenn die Leute so wählen würden, wie es ihrem Politikkonsumverhalten im Kabel-TV entspricht.
So rechts wie möglich
Im Kampf der Cable News Networks geht der Trend klar zu den Republikanern und damit ihrem Spitzenkandidaten Mitt Romney: Der mit Abstand erfolgreichste Kabelkanal der USA ist Fox News. Nach den letzten aktuell vorliegenden Zahlen der Quotenmessagentur Nielsen schalteten im Mai durchschnittlich rund 1,7 Millionen Amerikaner den rechten Propagandasender ein, wenn sie sich ihre Dosis Tagespolitik abholen wollten. Als zweitplatzierter Sender landete, weit abgeschlagen, MSNBC: ein als links der Mitte angelegter Spinoff der NBC-Gruppe mit 674.000 Zuschauern. Den dritten Platz nimmt CNN ein (389.000).
Diesem Bild entsprechend stellt sich die heutige Konstellation im US-Kabelfernsehen quasi als buchstäbliche Vollendung des Credos des 1980 verstorbenen Medienwissenschafters Marshall McLuhan dar, das dieser als Titel seines bekanntesten Werks wählte: Das Medium ist die Message. Der Erfolg von Fox News gilt längst als Lehrbeispiel für erfolgreichen Kampagnenjournalismus made in USA. Im Kabel landesweit empfangbar seit Oktober 1996, ist der Sender ein Kind jener Ära, in der Rupert Murdoch noch als halbwegs achtbarer Medienmogul galt, dessen Rückendeckung für einen Wahlerfolg auf beiden Seiten des Atlantiks für unentbehrlich gehalten wurde.
Linkes TV hat es schwer
Seine bekanntesten Gesichter sind Bill O’Reilly ("The O’Reilly Factor") und Sean Hannity, zwei ultrapatriotische Testosteronbolzen, die für ihre Tiraden gegen alles, was links von Reagan steht, vom Mutterunternehmen News Corporation fürstlich entlohnt werden: Kolportierte 20 Millionen Dollar pro Jahr soll der 62-jährige O’Reilly verdienen, Hannity (50) laut dem Branchenfachblatt "The Hollywood Reporter" auch nicht viel weniger.
Die ebenfalls vor 16 Jahren gestarteten Kollegen von MSNBC können von solchen Gagen nur träumen. Neben einer Parade an bekannten, aber in puncto Popularität eher mediokren Bannerträgern des gesellschaftlichen Fortschritts (Bürgerrechtler Al Sharpton, Gewerkschaftsfreund Ed Schultz, John F. Kennedy-Biograf Chris Matthews) gelten dort heute zwei Frauen als Aushängeschilder: Mika Brzezinski, Tochter des gleichnamigen ehemaligen nationalen Sicherheitsberaters Zwigniew Brzezinski, die gemeinsam mit dem Alibi-Konservativen Joe Scarborough die Frühstückssendung "Morning Joe" moderiert; vor allem aber Rachel Maddow, bekennende Lesbe und investigative Spürhündin des Senders. Beide verteidigen Obama und seine Politik mindestens so intensiv wie O’Reilly, Hannity und Co. sie verfluchen - freilich mit mehr Zurückhaltung und Stil.
Als Leidtragender dieser Polarisierung gilt CNN, in den Neunzigern noch die unangefochtene Nummer eins in Sachen Cable News. Seine Starmoderatoren (Piers Morgan, Anderson Cooper, Wolf Blitzer) gelten als zu bieder, zu seicht, kurz: zu meinungsschwach, um in diesen Zeiten gehört zur werden.
Wie wichtig das sein kann, wenn’s am 9. November hart auf hart geht, zeigt ein Blick in die jüngere Vergangenheit. Das letzte Mal, dass ein Match ums Präsidentenamt im Kabelfernsehen mitentschieden wurde, ist immerhin erst zwölf Jahre her. Als erstes Medium gab Fox News damals - ohne jede faktische Grundlage - bekannt, dass George W. Bush in Florida mehr Stimmen erhalten habe als Al Gore.