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Die Majonäse war ein Schreckgespenst. Auch das Portmonee. Und der Schrimp. Nicht zu vergessen das Ketschup. Nicht weniger als den Untergang des Abendlandes verhieß sie, die deutsche Rechtschreibreform. Denn, um Himmels Willen, wie seelenlos und banausenhaft kann man sein, dass einen solche Wortvergewaltigungen nicht im Herzen schmerzen? Fehlt nur mehr, dass man "Trottoah" schreiben muss statt "Trottoir"!
Zehn Jahre nachdem die Rechtschreibreform (also eigentlich die Reform der Rechtschreibreform) tatsächlich durchgesetzt wurde, ist das alles nicht mehr so dramatisch. Es mag noch mitunter Schreibende geben, die dem stummen H nachweinen. Die Franzosen hätten sich so eine sprachtypische Eigenheit niemals wegnehmen lassen. Ein Känguruh war doch immer noch etwas ganz anderes als ein amputiertes Känguru. Und so griffig-pädagogische Sprüche wie "Wer nämlich mit h schreibt, ist dämlich" sind jetzt auch schon lange obsolet.
Aber sonst alle zufrieden? Nicht der ehemalige bayrische Kultusminister Hans Zehetmair. Der hat in einem Interview mit der "Zeit" jetzt gesagt, dass die Reform "überflüssig" war. Wieder anders sieht es "Duden"-Chefredakteur Werner Scholze-Stubenrecht. Der wünscht sich, dass es nicht so viele verschiedene Möglichkeiten gäbe, die dann doch alle so irgendwie richtig sind.
Aber ist das wirklich schon Wildwuchs, wenn man statt Majonäse auch immer noch Mayonnaise schreiben darf? Oder ist das nicht einfach ein Zeichen dafür, dass Sprache nicht nur lebendig ist, sondern auch ihre Wurzeln nicht barsch-dümmlich verleugnet?