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"Ein Teilschaden ist bereits eingetreten, aber noch keine Katastrophe" - mit diesen Worten präsentierte Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl am Mittwochabend Analysen und Lösungsvorschläge angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Situation im Zusammenhang mit einem möglichen Irak-Krieg. Im "worst case" plädiert Leitl für nachhaltige konjunkturfördernde Maßnahmen, die aus einer schrittweisen Anhebung des Budgetdefizits "von derzeit 1 bis 1,5% bis zur Maastricht-Grenze von 3%" finanziert werden sollen.
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"Wir müssen uns überlegen, was auf uns zukommen kann und was wir dagegen unternehmen können", unterstrich Leitl. Untersucht wurden von der wirtschaftspolitischen Abteilung der WKÖ in Anlehnung an das Washingtoner Center for Strategic Studies (CSIS) Auswirkungen in den vier Szenarien "kein Krieg" (1,5% BIP-Wachstum in Österreich 2003, höheres Wachstum in Folgejahren), "rascher Sieg" (Wahrscheinlichkeit 40 bis 60%; Euroraum: 1 bis 1,25% Wachstum; Österreich: 1,3% 2003), "problematischere Konfliktentwicklung" (30 bis 40% Wahrscheinlichkeit; Wachstum unter 1%) oder "Eskalation" (Wahrscheinlichkeit 5 bis 10%). Ein "Flächenbrand in der Region" würde zu einer weltweiten Rezession (bis minus 2%) führen.
1,6% BIP-Rückgang droht
In diesem Fall rechnet Leitl - in Anlehnung an Berechnungen der Bank Austria/Creditanstalt - mit einem BIP-Rückgang in Österreich von bis zu 1,6% und einem Beschäftigungsrückgang um bis zu 2%. Schon jetzt sei die Weltwirtschaft vor allem von Unsicherheit geprägt - was sich auch in der Ölpreisentwicklung oder in den "realwirtschaftlichen Auswirkungen auf die Weltwarenströme" niederschlage. Österreichs Exporte in die Länder des Nahen und Mittleren Ostens würden zwar nur 2% des Gesamtexportvolumens betragen, dennoch seien schon 2002 Außenhandelseinbrüche von 11,7% zu verzeichnen gewesen, wie WKÖ-Außenwirtschaftsleiter Walter Koren berichtete. Im Kriegsfall könnten sich die Exporte in die Region je nach Szenario um bis zu 20% verringern oder ganz zum Erliegen kommen. Eine neue Bedeutung gewinnt Syrien: Das Land soll heuer zum wichtigsten Öllieferanten Österreichs werden - "eine Situation, die durch einen länger andauernden Krieg beeinträchtigt werden könnte", so Koren. Insgesamt werden 80% der österreichischen Ausfuhren in Euro fakturiert, die Außenhandels-Risiken seien daher begrenzt.
4 Mrd. Euro Notmaßnahme
Die von der WKÖ vorgeschlagene "Notmaßnahme" der Defizitanhebung in Österreich könne 4 Mrd. Euro jährlich für "gegensteuernde Konjunkturmaßnahmen" - wie beschleunigter Infrastrukturausbau, Sanierung historischer Gebäude, "drastische Aufstockung" der Forschungsförderung sowie Steuerbegünstigungen von Investitionen - freisetzen. Jedenfalls würden sich die wirtschaftlichen Bedingungen in Österreich mit der EU-Erweiterung "verändern, wie in den letzten 50 Jahren nicht", betont Leitl. Auf Sozialpartnerebene arbeite man derzeit an einem Maßnahmenpaket, das Österreich für diese Umstrukturierung wappnen werde. Darüber hinaus sei abzuwarten, ob eine neue Bundesregierung "die richtigen Signale" für eine nachhaltige Verbesserung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit setzt und etwa über "eine profunde Bundesstaatsreform" Einsparungen anzielt, die den finanzpolitischen Spielraum für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen liefern kann.
Im "worst case" müsse auch auf EU-Ebene gehandelt werden, sagt Leitl, der auch Präsident der Vereinigung europäischer Wirtschaftskammern ist. Dazu gehöre eine Leitzinssenkung der EZB - "eine Größenordnung von einem halben Prozent wäre machbar" - oder der Ausbau des EU-Solidaritätsfonds zu einem "proaktiven Instrument". In "gesamteuropäischer Beurteilung" könne es auch zu einer "Weiterentwicklung des Stabilitätspakts" kommen, der aber unangetastet bleiben müsse, "wenn nur einzelne größere Mitgliedsstaaten Probleme haben", sagt Leitl.