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"Das kann man so nebenbei machen"

Von Daniel Bischof

Über Scheinrechnungen soll laut Anklage Geld aus dem Unternehmen geschleust und für Bestechung verwendet worden sein.
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Prozess um Siemens-Schmiergeldaffäre fortgesetzt. Vorstand bestreitet Existenz schwarzer Kassen.


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Wien. Für die Herrn W. und G. dreht sich am Dienstag wieder alles um ihre Vergangenheit. Ihre früheren Jobs, die sie vor vielen Jahren ausgeübt haben: Sie lassen die beiden Männer einfach nicht los. Auf der Anklagebank sitzend, hören sie konzentriert den Zeugen zu. G. macht sich Notizen: Es geht teils um Vorgänge, die mehr als ein Jahrzehnt zurückliegen.

Knapp elf Jahre nach dem Auffliegen der deutschen Schwarzgeldaffäre bei Siemens beschäftigt die Causa weiterhin die österreichischen Gerichte. Im November 2006 tauchten Berichte auf, nach denen Siemens Deutschland in Nigeria und anderen Ländern Schmiergeld gezahlt hat, um an Aufträge zu gelangen. 1,3 Milliarden Euro sollen dazu verwendet worden sein. Im Juli 2008 verurteilte das Landesgericht München einen Ex-Siemens-Manager zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe von 108.000 Euro. Weitere Verurteilungen folgten.

Der überraschte Offizier

Auch über Österreich soll Schwarzgeld geflossen sein. Die österreichischen Behörden ermittelten seit 2008. Im Dezember 2016 erhob die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien dann Anklage wegen Untreue gegen G., einen Ex-Siemens-Bereichsleiter und den Ex-Prokuristen W. Sie sollen aus dem Unternehmen mittels Scheinrechnungen Geld geschleust und für Schmiergeldzahlungen verwendet haben. Die angeblichen Untreuehandlungen haben sich laut Anklage von November 2001 bis Dezember 2010 ereignet. Siemens soll dadurch ein Schaden von 17 Millionen Euro entstanden sein.

Beim Prozessauftakt vor einem Schöffensenat des Wiener Straflandesgerichts im Juni 2017 bekannten sich die Angeklagten nicht schuldig. Am Dienstag wurde die Verhandlung fortgesetzt.

"Es war überraschend, dass man mir die Funktion übertragen hat", meinte ein Zeuge. 2006 wurde er zum Compliance-Officer ernannt - obwohl der Physiker bereits technischer Leiter einer Siemens-Zweigstelle mit mehreren hundert Mitarbeitern war. "Du bist schon so lange im Unternehmen, kennst dich so gut aus. Das kann man so nebenbei machen": So habe man ihn überredet, den Posten anzunehmen, erzählte er.

Anfangs habe er in seiner neuen Tätigkeit noch wenig zu tun gehabt. Dann aber habe er seine halbe Arbeitszeit dafür verwendet, da Siemens mit dem Aufflackern der Schmiergeld-Affäre Verschärfungen durchgesetzt habe. Anfang 2007 sei ihm ein Jurist zur Seite gestellt worden. Mit diesem habe er sich besonders mit den Beraterverträgen beschäftigt, für die strengere Formalvorschriften eingeführt wurden.

Berater- oder Scheinvertrag

Diese Beraterverträge bilden auch den Knackpunkt im Prozess. Sie sollen in Serbien und Bosnien angewendet worden sein. Man habe dort keine Vertriebsstruktur gehabt und sei auf die Berater angewiesen gewesen, so die Angeklagten und zwei Ex-Siemens-Vorstände im Zeugenstand. Laut Staatsanwaltschaft dienten die Beraterverträge hingegen den Schmiergeldzahlungen. Bei ihnen soll es sich um Scheinverträge handeln, denen keine tatsächlichen Leistungen gegenüberstanden.

Die Beraterkosten habe man in den Auftrag schon einkalkuliert, so der Compliance-Officer. Bei der Kontrolle habe es keine Auffälligkeiten gegeben. Schwarze Kassen seien bei Siemens Österreich ein "No-Go" gewesen und seien wegen der vielen Kontrollen nicht möglich gewesen, sagte auch ein Ex-Vorstandsmitglied. Die Verhandlung wird in den nächsten Tagen fortgesetzt.