Die Rot-Weiß-Rot-Card wird reformiert, zumindest ein wenig, vor allem die Unis könnten profitieren.
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Wien. Heinz-Christian Strache irrte. Die Rot-Weiß-Rot-Card, so prognostizierte der FPÖ-Chef einst, werde zu vermehrter Zuwanderung aus Drittstaaten führen. Die Regierung rechnete mit jährlich 8000 Arbeitsmigranten von außerhalb der EU - und sie irrte ebenfalls. Denn seit die Karte 2011 eingeführt wurde, wandern jährlich nur 1300 Menschen über diesen Weg nach Österreich ein, der für qualifizierte Arbeitnehmer geschaffen wurde.
Die Rot-Weiß-Rot-Card beendete die untaugliche Quotenregelung für die Arbeitsmigration aus Drittländern. Stattdessen wird diese Form der Zuwanderung jetzt durch Kriterien gesteuert, die im sozialpartnerschaftlichen Austausch definiert wurden. Das Resultat: Der Weg zu dieser Karte ist kompliziert und die Hürden sind hoch, die Erwartungen der Regierung wurden untererfüllt.
Nun schlägt auch die OECD vor, die gesteuerte Migration nach Österreich zu reformieren. Zwar hätten sich die Rahmenbedingungen für Arbeitsmigration durch diese Karte verbessert, erklärt OECD-Experte Thomas Liebig, er bemängelt jedoch, dass Österreich nicht das Potenzial realisiert. Nur jeder dritte Antragsteller wird zugelassen, laut OECD müsste deshalb eine ganze Reihe von Kriterien überdacht werden.
Fachkräftemängel strittig
Wirtschaftskammer und Industrie nahmen die Empfehlungen der OECD erfreut zur Kenntnis, sie fordern seit Jahren eine Herabsetzung der Hürden, doch das Sozialministerium bremste, stets auch mit Verweis auf die zuletzt angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt. Nur die "Evaluierung und Weiterentwicklung" der Karte schaffte es ins Regierungsprogramm, die OECD-Studie dürfte eine weitere Grundlage in der Debatte sein.
Auf Beamtenebene wird bereits gesprochen, bis Mitte 2015 könnten Adaptierungen beschlossen werden. Eine hohe Chance auf Änderung gibt es bei der geradezu kafkaesken Notwendigkeit, eine Unterkunft schon vor dem Antrag nachzuweisen. Ein Koch aus Novi Sad muss also von Serbien aus einen Mietvertrag unterschreiben, noch ehe er weiß, ob sein Antrag genehmigt wird.
Auch eine weitere Empfehlung der OECD stieß bei Minister Rudolf Hundstorfer auf offene Ohren: Gute Deutschkenntnisse könnten sich im Punktesystem, das die Zuwanderung von Hochqualifizierten regelt, niederschlagen. Das passiert derzeit nicht.
Bei Fachkräften in Mängelberufen herrscht indessen Uneinigkeit über den tatsächlichen Bedarf zwischen Vertretern der Wirtschaft und des Sozialministeriums. Fakt ist, dass die Anzahl der Mängelberufe von 26 auf 11 gesunken ist. Im Sozialministerium verweist man darauf, dass durch die EU-Freizügigkeit der Bedarf gut abgedeckt wird, andernfalls wäre das Lohnniveau höher. "Und das ist nicht ersichtlich", sagt Liebig. Allerdings berichten auch 40 Prozent der Arbeitgeber von Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen.
Selbst wenn dies mehr Annahme als Fakt sein sollte, hat es reale Konsequenzen bei unternehmerischen Entscheidungen, wie Liebig aus Deutschland weiß: "Viele Unternehmen verzichten dort lieber auf Expansion, als aus dem Ausland zu rekrutieren."
Während die Frage des Fachkräftemangels strittig ist und Lockerungen vorerst nicht zu erwarten sind, könnte sich die Situation für die Universitäten bessern. Die Hochschulen haben sich internationalisiert, doch Absolventen aus Drittstaaten nutzen nach dem Studium nur zu fünf Prozent eine Rot-Weiß-Rot-Karte. Was mit den übrigen passiert, ist unklar, dazu fehlten die Daten. Dass der Großteil wieder wegzieht, ist anzunehmen. "Es ist schlicht unvernünftig, sie nach Abschluss ihres Studiums zu vertreiben", sagt Alexander Van der Bellen, Universitätsbeauftragter der Stadt Wien.
Mindesteinkommen bleibt
Derzeit müssen Absolventen in sechs Monaten einen Job finden. Diese Frist könnte verlängert werden. Auch könnte es eine Lockerung geben, welche Jobs für die Rot-Weiß-Rot-Card anerkannt werden. "Es ist zu begrüßen, dass im Sozialministerium darüber nachgedacht wird, wenigstens einige der Barrieren abzubauen", sagt Van der Bellen.
Eine Herabsetzung des Mindestgehalts, knapp über 2000 Euro brutto, ist für Hundstorfer allerdings indiskutabel. Die Unis beklagen, dass diese Grenze zu hoch für Berufsanfänger ist. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und Prekarisierung will das Sozialministerium am Mindesteinkommen aber nicht rütteln. "Hundstorfer sollte sich einen Ruck geben und das deutsche Modell übernehmen, das auch von der OECD als vorbildlich gelobt wird", sagt Van der Bellen. In Deutschland waren die Hürden bei der Arbeitsmigration höher als in Österreich, nach Kritik der OECD wurde adaptiert, auch das erforderliche Mindesteinkommen wurde gestrichen. Im November hat Deutschland übrigens Österreich bei der Arbeitslosenstatistik überholt und ist nun das EU-Land mit der niedrigsten Arbeitslosenquote.