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Das Kind steht im Zentrum

Von Brigitte Pechar

Politik

Familienrecht soll ab 1. Februar 2013 gelten. Keine Automatik bei Obsorge.


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Wien. Justizministerin Beatrix Karl und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek haben sich nach langwierigen Verhandlungen auf ein Familienrechtspaket geeinigt. Kurz gesagt: Es wird keine automatische gemeinsame Obsorge geben, diese Entscheidung liegt immer beim Richter. Dafür erhalten auch ledige Väter das Antragsrecht auf alleinige oder gemeinsame Obsorge, das Vetorecht der ledigen Mütter fällt. Bei Einigkeit kann der Antrag gemeinsam mit der Mutter beim Standesamt eingebracht werden. Das Gericht kann auch in strittigen Fällen eine gemeinsame Obsorge verfügen, wenn das dem Kindeswohl entspricht. Eine Abkühlphase von sechs Monaten soll bei der Entscheidung helfen.

Der Gesetzesentwurf ist bereits in Begutachtung gegangen, am 1. Februar 2013 soll das neue Familienrecht in Kraft treten. Die Ministerinnen kommen mit dem Gesetzesentwurf Forderungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und dem Verfassungsgerichtshof nach. Karl sprach von einem "Meilenstein", Heinisch-Hosek von einem "wirklich großen Wurf".

Neu ist, dass es bei Obsorge-Streitigkeiten eine Art Testphase geben soll, bevor der Richter endgültig entscheidet: Das Gericht trifft für eine sechsmonatige "Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung" eine Detailregelung zu den Besuchskontakten, zu Pflege und Erziehung und zu Alimenten fest. Dann schaut der Richter, wie diese Phase abgelaufen ist und trifft eine Entscheidung. Diese Abkühlphase soll es bei allen Anträgen auf Sorgerechtsänderung geben. Ist ein Elternteil beispielsweise gewalttätig, kommt es freilich gar nicht zu dieser Testphase, wurde versichert.

700.000 potenzielle Fälle

Weitere Punkte im Entwurf: Das Kindeswohl wird definiert und verankert. Das Besuchsrecht wird zum "Kontaktrecht" und soll künftig besser durchsetzbar werden, Richter sollen beispielsweise die Möglichkeit bekommen, einen Besuch bei der Familienberatung anzuordnen. Geändert wird auch das Namensrecht: Künftig können etwa alle Familienmitglieder einen Doppelnamen führen. In Streitfällen erhält das Kind den Nachnamen der Mutter.

Familienrichterin Doris Täubel-Weinreich lobte im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" den Gesetzesentwurf, warnte aber gleichzeitig vor übertriebenen Erwartungen: Denn auf die Richter könnte jetzt ein ziemlicher Arbeitsaufwand zukommen. Immerhin gibt es 700.000 Väter, die eine gemeinsame Obsorge einklagen könnten - so viele Frauen haben derzeit die alleinige Obsorge.

Insgesamt lasse der Gesetzesentwurf den Richtern mehr Entscheidungsspielraum, sagt Täubel-Weinreich. Und der Gesetzestext sei auch ein starker Hinweis an die Eltern, dass sie sich einigen sollten. "Das könnte einen positiven Effekt haben."