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Das Kind und das Bad

Von Stefan Janny

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Wenn große Finanzinstitutionen ins Wanken geraten oder tatsächlich kippen; wenn sich Liquiditätskrisen von einem Kontinent zum nächsten verbreiten wie ansteckende Krankheiten; wenn Börsenkurse abstürzen und Immobilienpreise in den Keller rasseln; wenn die Konjunktur allerorts schwächelt und große Volkswirtschaften vor Rezessionen stehen - dann ist es nur zu verständlich, dass Schuldige gesucht und mutmaßlich Verantwortliche namhaft gemacht werden.


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Und an Verdächtigen herrscht wahrlich kein Mangel: die Banken im Allgemeinen, deren Manager im Besonderen, die Amerikaner, die Rating-Agenturen, Hedge-Fonds, die Aufsichtsbehörden, Alan Greenspan.. .

Die Liste jener, die derzeit dem internationalen Furor ausgesetzt sind, ließe sich noch erheblich verlängern. Und nicht wenige wollen mittlerweile sogar den vermeintlichen Boss der Geldvernichter-Bande identifiziert haben: den Markt an sich.

Dass die vermutlich schwerste weltweite Finanzkrise seit den Dreißiger Jahren Anlass für erhebliche Modifikationen der Spielregeln an den Finanzmärkten sein muss, darüber besteht längst kein Zweifel mehr. Einige haben bereits stattgefunden, zahlreiche weitere werden folgen, sobald der Brandherd einigermaßen unter Kontrolle ist.

Die aktuelle Krise basiert daher, wie diese Maßnahmen augenfällig dokumentieren, nicht auf einem Versagen des Marktes, sondern auf einem der Politik, die es verabsäumt hat, ihre Aufsichtspflicht zeit- und sachgerecht wahrzunehmen.

Die Gefahr, die nun besteht, ist freilich, dass Politiker dies- wie jenseits des Atlantiks dieses Versäumnis der Vergangenheit durch übergroße Forschheit in der Gegenwart zu kompensieren versuchen.

Banken und Börsen haben nämlich nicht bloß Übel über die Welt gebracht, sondern auch maßgeblich zur positiven Wirtschaftsentwicklung der vergangenen Jahrzehnte beigetragen - gerade, weil sie neue Finanzinstrumente entwickelt, jungen Unternehmen in risikoreichen Branchen Kapital besorgt und Kapitalmärkte vernetzt haben.

Daher gilt es jetzt mit Augenmaß und Sachverstand vorzugehen, anstatt das Kinde mit dem Bade auszugießen.