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Physiker toppen Stanley Milgrams Vernetzungskette. | Smarte Ideen für die Energieprobleme in den USA. | Wien. Die Welt ist tatsächlich klein: Erst jüngst wiederholte der US-Psychologe Jerry Burger jenes schockierende "Stromstoß-Strafexperiment" Stanley Milgrams aus dem Jahr 1974, das der Welt vor Augen führte, zu welcher Brutalität durchschnittliche Menschen imstande sind - mit dem völlig gleichen Ergebnis wie damals. Indessen hatte der US-Soziologe Milgram schon sieben Jahre zuvor mit einem positiven Experiment Aufsehen erregt, durch das er beweisen konnte, dass die soziale Welt wider die statistische und logische Wahrscheinlichkeit noch kleiner ist, als anzunehmen war.
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Mit dem Begriff "small world phenomenon" bezeichnete Milgram seine Hypothese, nach der jeder Mensch mit einem anderen irgendwo auf der Welt über eine äußerst kurze Kette von Bekanntschaftsbeziehungen verbunden ist - wohlgemerkt nicht via Internet, das es ja damals noch gar nicht gab. Mit Hilfe seines sehr ausgeklügelten Experiments kamen Milgram und nach ihm eine Reihe weiterer Wissenschafter zunächst für die USA zum Schluss, dass jede Person - etwa in Boston - von einer anderen - zum Beispiel im weit entfernten Omaha - über durchschnittlich sechs weitere Personen erreicht werden kann.
In der Welt der Wissenschaft sind die Verbindungswege freilich wesentlich kürzer, insbesondere, wie es scheint, unter den Physikern. Physiker sind in der Regel schon vom Faktischen her zur Kommunikation veranlasst, ihre Wege kreuzen sich oft bereits während des Studiums an Elite-Universitäten sowie in der Folge immer wieder bei hochkarätigen Meetings und Veranstaltungen.
Nachbarn in Berkeley
Im Fall von Univ.-Prof. Arnold Schmidt - emeritierter Vorstand des Instituts für Photonik der TU Wien, langjähriger Präsident des Wissenschaftsfonds FWF und u. a. nunmehr dessen Aufsichtsratsvorsitzender - war es indessen der pure Zufall, der ihn nun zum unmittelbaren Verbindungsglied mit dem neuen US-Energieminister machte: Anfang der 1970er Jahre waren der junge Wiener Physiker Schmidt und der noch weit jüngere Physiker Steven Chu aus St. Louis (Missouri) und beider Familien zunächst schlicht Nachbarn. In Berkeley.
Ob sie einander auch an der dortigen University of California begegnet wären, ist fraglich. Schmidt war bereits ein anerkannter Wissenschafter am Department of Physics, Chu studierte zunächst in einem anderen Bereich und promovierte, als Schmidt schon wieder in Wien war, wo Karrieren weit zäher verlaufen.
Aber man trank häufig Tee zusammen. Und Chu, Abkömmling einer chinesisch-stämmigen Familie von Akademikern über Generationen, der schon damals das Fahrrad jedem anderen Verkehrsmittel vorzog, hinterließ bleibende Eindrücke bei der Familie Schmidt: Er war intelligent und brillant, er hatte die vielseitigsten Forschungsinteressen - wie seine Laufbahn auch später noch zeigte, als er nebenbei einen weiteren Abschluss in Molekularer Zellbiologie machte - und als er 1997 den Nobelpreis für Physik erhielt, überraschte dies nur in einer Hinsicht: Mit 49 Jahren war er dafür nach allen Erfahrungen mit dem Komitee eigentlich zu jung.
"Schwarzes Schaf"
Dass Chu, wie er selbst erzählte, gemessen an seinen zielfokussierten Brüdern und Cousins in Princeton und Harvard das "schwarze Schaf der Familie" war, indem er seine Forschungsarbeiten nie strikt festlegte, kommt den USA nun zugute. Zuletzt leitete er - wieder in Berkeley - das Energy Bioscience Institute, das sich insbesondere mit erneuerbarer Energie befasst - zum Beispiel mit Mikroben, die solche produzieren.
Hinzu kamen Erkenntnisse, von denen vor der Krise niemand etwas wissen wollte, wie etwa, dass es in den USA ein Energiesparpotenzial von 165 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr gibt - genügend Strom, um alle Haushalte in Ohio, Michigan, Indiana und Illinois zusammen ausreichend zu versorgen, wie die Experten verdeutlichen.
Forschung und Umsetzung werden freilich auch Geld kosten. Doch Chu hat wiederholt bewiesen, dass er auch die Mittel zu beschaffen weiß: Durch die Vernetzung gut dotierter Institute oder Fonds von Multikonzernen wie etwa sogar des Ölriesen BP. So entstanden etwa das Joint BioEnergy Institute (JBEI) und das Energy Bioscience Institute (EBI), das eine mit 135 Millionen, das andere mit 500 Millionen Dollar dotiert.