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Das Klima der Volkspartei

Von Vilja Schiretz

Politik

Zwischen Bekenntnissen und Polemik: Das Verhältnis der ÖVP zum Klimaschutz ist ambivalent.


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Gleich 13 Seiten sind im türkis-grünen Regierungsprogramm dem Thema Klimaschutz gewidmet. Sieben weitere dem Umwelt- und Naturschutz. Und auch im Unterkapitel Verkehr und Infrastruktur stehen Klima und Nachhaltigkeit im Fokus. Man könne "Grenzen und Klima schützen", konstatierte der frühere Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), als er Ende 2019 gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) die Zusammenarbeit der beiden ungleichen Partner präsentierte.

Anfang der Woche mussten die Regierungspartner mit weniger erfreulichen Nachrichten vor die Presse treten. Die erste Bodenschutzstrategie konnte allen Ankündigungen zum Trotz nicht beschlossen werden. Kogler hatte sich "klare Zielvorgaben" gewünscht, die ÖVP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig offenbar zu weit gegangen waren. Die Verhandlungen sollen über den Sommer fortgesetzt werden.

Technologie statt Verzicht

Ist mit der ÖVP noch Klimaschutz zu machen? "Wir werden alle Lösungsansätze brauchen, um die Herausforderung zu meistern, die der Klimawandel darstellt. Unsere Vision ist es daher, unsere Forschung dahingehend auszubauen, dass Österreich Technologieführer für eine CO2-freie Welt werden kann. Unser Zugang ist dabei: Innovation und technologischer Fortschritt statt Verbote", heißt es in einem schriftlichen Statement von Generalsekretär Christian Stocker auf die Frage zum aktuellen Standpunkt der Volkspartei.

Schon im Programm für die Nationalratswahl 2019 hatte die ÖVP - noch unter Kurz - Klimaschutz vor allem mit technischem Fortschritt verknüpft, Österreich sollte etwa "Wasserstoffland Nummer 1" werden. Und man bekenne sich "klar und ohne Abstriche" zu den Pariser Klimazielen sowie den Zielen der EU zur Reduktion von Emissionen. Denn: "Unsere größten Errungenschaften bringen uns wenig, wenn wir gleichzeitig unseren Planeten und unsere Umwelt zerstören", hieß es im ÖVP-Wahlprogramm.

Das entsprach durchaus dem Zeitgeist: Inspiriert von der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg drängten weltweit hunderttausende Jugendliche auf die Straße, um für den Klimaschutz zu demonstrieren, bei der EU-Wahl im Frühjahr 2019 hatten die Grünen deutliche Zugewinne erzielen können. Und auch im österreichischen Wahlkampf wurde laut einer Sora-Befragung kein Thema intensiver diskutiert.

Zuletzt fiel die ÖVP in Sachen Klima allerdings vor allem durch polemische Äußerungen auf. Man solle aufhören, eine "Untergangsapokalypse hinaufzubeschwören", meinte Bundeskanzler Karl Nehammer etwa bei seiner Rede "Österreich 2030". Österreich sei außerdem "das Autoland schlechthin", weshalb sich der Bundeskanzler gegen ein Verbot von Verbrennungsmotoren auf EU-Ebene einsetzen wollte. Für viel türkise Entrüstung sorgen auch die "Klimakleber", diese Form des Protests sei eine "Sabotage der Zivilgesellschaft", befand Nehammer Anfang des Jahres. Erst kürzlich sah Generalsekretär Stocker die Forderung des neuen SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler nach Tempo 100 auf der Autobahn im Einklang mit dessen "marxistischem Weltbild".

Mehrere Vorhaben offen

Gänzlich neu ist eine solche Rhetorik nicht. Dass Klimaschutz durch Technik, nicht durch Verzicht möglich sein müsse, betonte Kurz etwa bereits 2021. Man wolle schließlich nicht "zurück in die Steinzeit". Und doch scheint es, als wäre es zuletzt schwieriger geworden, Vorhaben rund um den Klimaschutz umzusetzen, als in früheren Phasen der Koalition. Nachdem im Juli 2021 das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz beschlossen worden war, konnte Türkis-Grün im Herbst darauf mit dem Klimaticket und der ökosozialen Steuerreform inklusive CO2-Bepreisung gleich zwei zentrale Vorhaben auf den Boden bringen.

Doch wenig später musste sich Kurz aus der Politik zurückziehen, Nehammer übernahm das Ruder. Auch in den knapp zwei Jahren seither konnten einige Einigungen erzielt werden. Anfang des Jahres trat etwa eine Novelle bezüglich Umweltverträglichkeitsprüfungen in Kraft, die unter anderem den rascheren Ausbau von Windkraftanlagen zum Ziel hatte. Erst Anfang Juni passierte das Energieeffizienzgesetz den Nationalrat - allerdings mit Abstrichen. Der Ärger der Grünen galt hier aber vor allem der SPÖ: Diese verweigerte ihre Zustimmung, wodurch keine Zweidrittelmehrheit zustande kam. Diese wäre aber notwendig gewesen, um auch die Bundesländer zum Energiesparen zu verpflichten.

In der Warteschlange stehen nun das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz (Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen) sowie das Erneuerbares-Gas-Gesetz (Ausbau der heimischen Biogas-Produktion). Entwürfe gibt es bereits, ein Beschluss steht aber noch aus.

Weniger weit ist man beim Klimaschutzgesetz gekommen, das den Weg in die Klimaneutralität bis 2040 vorgeben soll. Die Hoffnung, dieses noch bis Ende der Legislaturperiode umzusetzen, scheint bei den Grünen allmählich zu schwinden.

Die Verhandlungen zwischen den Koalitionspartnern scheinen zäher geworden zu sein. Einerseits dürfte man zuerst jene Punkte im Regierungsprogramm abgearbeitet haben, bei denen schnell Einigkeit herrschte. Für die letzte Phase der Legislaturperiode bleiben die harten Brocken.

Parteiinterner Widerstand

Andererseits muss die Bundes-ÖVP zunehmend auch mit parteiinternem Widerstand umgehen. Sebastian Kurz hatte sich mit weitreichenden Machtbefugnissen ausstatten lassen, bestimmte mehr oder weniger alleine, wofür seine "Neue Volkspartei" stand. Doch unter Nehammer verschaffen sich Länder, ÖVP-Bünde und der Volkspartei nahestehende Organisationen wieder stärker Gehör. Gegen die UVP-Novelle sträubte sich etwa der ÖVP-dominierte Gemeindebund. Beim Erneuerbare-Wärme-Gesetz soll die Wirtschaftskammer bremsen.

Doch schon bisher habe man in Sachen Klimaschutz mehr erreicht als viele Regierungen zuvor, betonen ÖVP und Grüne immer wieder. Immerhin darin sind sich die Koalitionspartner einig.