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"Das Klima ist wie ein wildes Tier"

Von WZ-Korrespondenten Steffen Klatt

Wirtschaft

Hoffen auf ein Einlenken der Politiker, bevor Katastrophen sie unsanft wecken.


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"Wiener Zeitung": Ende 2012 laufen die Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll aus. Was muss geschehen, damit es eine Nachfolge gibt?Axel Michaelowa: Das Kyoto-Protokoll läuft nicht aus, es ist unbefristet. Aber ohne Verpflichtungen wäre es eine leere Hülle. Deshalb müssen sich die Staaten einigen, ob sie eine zweite Verpflichtungsperiode wollen, wie lange diese laufen soll, welche Staaten sich daran beteiligen und wie streng die Verpflichtungen sein sollen. Einige sehr wichtige Staaten haben sich gegen eine zweite Verpflichtungsperiode ausgesprochen: die USA, Russland und auch Japan, obwohl Japan damit sein eigenes Abkommen unterläuft.

Wie wichtig ist der Gipfel in Durban für eine Verlängerung?

Die Erwartungen an Durban sind derzeit gering. Aber wenn jetzt keine zweite Verpflichtungsperiode zustande kommt, wird es eine Lücke geben. Das führt dazu, dass die Marktmechanismen zurückgeführt werden. Derzeit gibt es noch einen Ansturm von Projekten, um den Export der Zertifikate in die EU sicherzustellen. Danach wird alles in sich zusammenbrechen. Das ist fatal.

Der Emissionshandel ist ein zentrales Instrument der Klimapolitik nach Kyoto gewesen. Hat es sich bewährt?

Auf jeden Fall, soweit es den CDM (Clean Development Mechanism, der Zertifikate für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern erzeugt, Anm.) betrifft. Niemand hätte vor zehn Jahren vorhergesagt, dass wir jetzt 7000 Projekte haben und daraus Gutschriften von 2,5 bis 3 Milliarden Tonnen CO2-Reduktion resultieren würden.

Der Handel mit CDM ist nur ein kleiner Teil des Emissionshandels. Der viel größere Teil findet in den Industrieländern statt, vor allem in der EU. Wie hat er sich bewährt?

Der EU-Emissionshandel war ein mutiges Experiment. Er hat dabei zwei Phasen gehabt. Die erste Phase von 2005 bis 2007 war bewusst als Erprobungsphase angelegt. Der Markt selbst hat hervorragend funktioniert. Aber die Industrielobby war zu stark gewesen, und deshalb waren zu viele Zertifikate zugeteilt worden. Daher fiel der Preis am Ende der Periode auf null, weil niemand mehr diese Zertifikate brauchte. Daraus hat die EU-Kommission für die zweite Periode gelernt, die von 2008 bis 2012 dauert. Sie hat die Schrauben angezogen. Die Zuteilungsvorschläge der Mitgliedstaaten wurden massiv verschärft. Doch dann kam die Wirtschaftskrise, die dazu führte, dass wieder ein Überangebot von CO2-Zertifikaten entstand.

Die EU-Politik ist derzeit bis 2020 vorgespurt. Wenn die Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll nicht verlängert werden, ist dann noch eine langfristige Klimapolitik möglich?

Dann werden wir uns klimapolitisch durchwursteln. Dann sind wir in der gleichen Situation wie die Welthandelsorganisation. Das wäre fatal. Denn der Klimawandel macht keine Pause. Es wäre am schlimmsten, wenn jetzt zehn Jahre politisch nichts passierte und dann eine Serie von Extremereignissen die Leute aufrüttelte - so wie das jetzt mit Fukushima und der Atomenergie geschehen ist. Dann könnte die Welt versucht sein, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, in diesem Fall also mit dem sogenannten Klima-Engineering: etwa indem man Staubpartikel in die Stratosphäre schießt. Das ist extrem gefährlich. Wie es der US-Klimaforscher Wallace Broecker gesagt hat: Das Klima ist wie ein wildes Tier. Wenn man es aufweckt, schlägt es um sich.

Zur Person



AxelMichaelowa

Der Präsident der Zurich Carbon Market Association ist einer der besten Kenner des internationalen Klimamarktes. Er leitet die Gruppe Internationale Klimapolitik am Lehrstuhl Politische Ökonomie der Entwicklungs- und Schwellenländer der Universität Zürich und ist einer der Mitbegründer von Perspectives, eines Hamburger Beratungsunternehmens für Klimafragen.