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Linzer Medienforscher und Künstler wollen mit Graupapageien musizieren - doch haben Tiere wie Menschen Musikempfinden?
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Wien. Sie macht Erinnerungen lebendiger, weckt Begeisterung und Sehnsucht, kann sogar in ekstatische Stimmung versetzen und ist ein Merkmal aller Kulturen: Was macht Musik so einzigartig? Warum kann sie uns Menschen so stark berühren? Ein philosophischer Erklärungsansatz ist, dass Musik beginnt, wo Worte aufhören: Wo die Sprache an ihre Grenzen stößt, greift die Melodie den Faden auf. Sie bringt auf den Punkt, was sonst verborgen bliebe, baut Brücken zum Gefühl. Mit Musik schafft sich der Mensch einen Raum jenseits der Sprache, der offenbar direkt ins Herz geht.
Hirnforschern zufolge beeinflusst Musik die Verbindungen zwischen verschiedenen Gehirnregionen und begleitet den Menschen seit seinen Anfängen. Biologen beschäftigen sich daher mit der biologischen Basis von Musikerzeugung und -wertschätzung. Sie vermuten, dass die Gesänge von Walen, Vögeln oder Gibbons auf einen uralten, universellen Musikinstinkt in Mensch und Tier zurückzuführen sind. Demnach könnten die ersten Klänge nicht nur Tieren, sondern auch Frühmenschen bei der Partnersuche geholfen haben. "Das könnte der Grund sein, warum es unmöglich ist, zu erklären, was Musik so berührend macht. Was immer es ist, es liegt im Unterbewusstsein und rührt an den Wurzeln menschlicher Emotionen", konstatiert der britische Zoologe Roger Payne, der die Gesänge der Buckelwale über Jahrzehnte erforscht hat. Für ihn hat der Mensch keineswegs ein Monopol auf Musikempfinden.
Allerdings definiert Payne Musik im biologischen Sinn, wonach ein Lied eine wiederholte, rhythmische Lautsequenz ist. So gesehen benutzen Einsiedlerdrosseln Oktaven von fünf Tönen, Fuchsdrosseln Tonleitern mit zwei zusätzlichen Halbtonschritten und Singammer das Äquivalent einer Sonateneröffnung. Der Stimmapparat von Walen umspannt sieben Oktaven und arbeitet sich in harmonischen Intervallen durch seine Lieder.
Tierisches Musikempfinden
Ob diese Gesangsmuster eine rein biologische Funktion haben oder ob Tiere auch so etwas wie Musik-Wahrnehmung besitzen, erforschen Kognitionsbiologen um Marisa Hoeschele. An der Universität Wien untersucht die Gruppe die Ursprünge der Musikalität über die Artengrenzen hinweg.
Ausgangspunkt sind Versuche, die zeigen, dass Tiere offenbar Musik bis zu einem gewissen Grad verstehen. So können sich Kakadus synchron zum Beat von Popmusik bewegen und sogar Wechselschritte einlegen. Manche Fische wiederum unterscheiden zwischen Blues und Klassik. Katzen schmiegen sich an den Lautsprecher, wenn Musik in der Tonlage ihres Miaus ertönt, und drehen sich weg, wenn der Klang davon abweicht. "Fähigkeiten, die auch Tiere an den Tag legen, haben wahrscheinlich biologische, nicht kulturelle Wurzeln", so Hoeschele. Die Wiener Biologen trainieren Tiere mit Leckerbissen darauf, auf Klangabfolgen zu reagieren und zwischen verschiedenen Klängen zu wählen. So sollen sich die Präferenzen zeigen.
Noch einen Schritt weiter gehen Linzer Medienforscher und Künstler, die sogar mit Tieren musizieren. Im Rahmen eines nicht unwesentlich dotierten Forschungsprojekts wollen sie Instrumente für Papageien bauen. Graupapageien, die in Gefangenschaft leben, sollen elektronische Musikinstrumente bekommen, die sie selbst bedienen können. Dem Wissenschaftsfonds FWF ist das Vorhaben in der Hauptstadt des Festivals Ars Electronica für elektronische Kunst im Laufe von drei Jahren rund 327.000 Euro aus seinem Peek-Programm für künstlerische Forschung wert.
Grundlage ist die Arbeit der Linzer Künstlergruppe "alien productions". Sie befasst sich mit Formen der Musikalität, die abseits des menschlichen Verständnisses liegen. "Wir wollten schauen, ob Tiere in Gefangenschaft auf musikalische Reize reagieren", sagt Martin Breindl von alien productions zur Austria Presse Agentur. Dazu gehöre auch die Frage, ob und wie die Tiere selbst Musik machen können.
Auf den Rat von Zoologen hin konzentrieren sich die Künstler auf Graupapageien, die Werkzeuge benutzen können. "Auf eine Dressur der Tiere wird bewusst verzichtet. Es soll erforscht werden, ob Papageien von sich aus ,musikalisch tätig‘ werden und wie diese ,tierische Musik‘ klingen könnte", erklärt Martin Kaltenbrunner vom Interface Culture Lab der Kunstuniversität Linz. "Möglicherweise finden wir dadurch neue Bedeutungen im Umgang mit Klang, die unser Verständnis von tierischer Intelligenz revidieren - und das von Musik."
Die Klänge der Vögel
Bereits zuvor hatte die Gruppe Instrumente mit und für Graupapageien entwickelt. Zu ihnen zählten Schlagzeuge, modifizierte Spielzeuginstrumente und elektronische Klangerzeuger, deren Töne durch Ziehen von Seilen oder Bewegen von Kugeln losgingen. Die Vögel konnten auch über Sensoren Klänge auslösen und verändern. Wie sich herausstellte, sind die musikalischen Geschmäcker der Tiere sehr unterschiedlich - "das sind wirkliche Individualisten, was das betrifft", so Breindl.
In der nächsten Projektphase sollen elektroakustische Klanginstallationen entwickelt werden, die den physiologischen und kognitiven Fähigkeiten von Graupapageien entsprechen. Man befinde sich im Feld der "musikalischen Tier-Maschine-Interaktion", so Kaltenbrunner. Bisher seien Tiere im Musikmachen Zufallsagenten gewesen. Nun interessiere die Forscher, wie kreativ sie sind. "Der Papagei wird ein aktives ‚Bandmitglied‘. Wir machen mit Papageien gemeinsam Musik: Wir nennen das Musik, auch wenn sie "papageiisch" klingt."
Ob Musik bei Vögeln analog zum Menschen Emotionen auslöst, ist eine andere Frage. Immerhin müssen Tiere keine Lücken in der Sprache überbrücken, weil sie die Welt nicht in Wörter aufspalten. Ihre Kommunikation scheint direkter: Musik ist ihre Sprache.