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Das Krankenhaus Nord - stationär vor ambulant?

Von Ernest G. Pichlbauer

Gastkommentare
Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Wieder einmal verwirren die Zahlen des KH Nord. Und diesmal zeigen sie, welche Gefahren dadurch für den Patienten entstehen.


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Werner Steinböck ist jetzt seit einem Jahr Verwaltungsdirektor des KH Nord. Als er im Februar 2019 vor der Untersuchungskommission aussagen musste, war er aber nicht nur als solcher dort, sondern auch als ehemaliger Controller des KAV. Als Controller sah er sich als "Bedarfsdecker" und hält sehr reflektiert fest, dass ein Spital Leistungen erbringen muss, um einen Bedarf zu decken, etwaige Einsparungen dürfen nicht durch Leistungskürzungen entstehen. Deswegen ist Leistungsplanung wichtig.

Dann wird er nach den Leistungen, die er heute als Verwaltungsdirektor mit den einzelnen Abteilungen in Leistungs- und Zielvereinbarungen gießt, genauer befragt. Seinen Angaben nach, rechnet er mit 46.000 stationären Patienten. Also genau der Zahl, die seit 2012 verlautbart wird.

Historisch betrachtet waren es einst nur 40.000 Patienten. Vermutlich wurde die Zahl der Patienten nicht dem Bedarf nach festgelegt, sondern über die Zahl der geplanten Betten und Abteilungen. Als die Politik diese mehr oder weniger freihändig beschlossen hat, dauerte eine Spitalsbehandlung eben so und so lange, und daher reichten die Betten für 40.000 Patienten. Um 2012 begann man sich mit der Betriebsorganisation zu beschäftigen und stellte fest, die Verweildauer ist gesunken. Weil eben politisch die Zahl der Betten den Bedarf bestimmt und nicht umgekehrt, wurden 46.000 Patienten daraus. Das ist leicht nachrechenbar.

Doch sind nun in diesen Patienten auch jene eingerechnet, die tagesklinisch betreut werden sollen? Und da antwortet Steinböck mit ja - und erzeugt ein Problem. Um das zu verstehen, muss man wissen, wie sehr tagesklinische Patienten die durchschnittliche Verweildauer beeinflussen. Ein Beispiel. Etwa 15 Prozent der Chirurgie-Patienten werden tagesklinisch behandelt; 85 Prozent liegen länger. Rechnet man nur diese, ist deren durchschnittliche Verweildauer 4,1 Tage, rechnet man aber alle Patienten, sinkt sie auf 3,5 Tage.

Diese Unterscheidung hat große Wirkung. Wenn man die heutige Verweildauer, angepasst an die Fächerstruktur des KH Nord heranzieht, zeigt sich, dass die Betten für etwa 46.000 vollstationäre Patienten ausreichen. Rechnet man jedoch die tagesklinischen Patienten ein, reichen sie für 57.000 Patienten. Oder im Umkehrschluss, wenn diese 46.000 Patienten wirklich inklusive tagesklinischer Patienten sind, bräuchte man nicht 785 Betten, sondern nur 643. Und genau hier beginnt das Problem für Patienten und Steuerzahler. Es ist sehr schwer vorstellbar, dass Abteilungen in den Leistungs- und Zielvereinbarungen mit dem Verwaltungsdirektor leere Betten planen. Und so werden wohl die Ambulanzen zu Akquisitionsschienen, um aus eigentlich ambulanten Patienten stationäre zu machen. Und weil in der Notfallaufnahme jeden Tag im Schnitt 700 Patienten und in den Terminambulanzen an jedem Werktag 1000 Patienten behandelt werden, wird es nicht schwerfallen, Betten zu füllen, um Vorgaben einzuhalten. Und so wird Fehlplanung nicht nur teuer, sondern auch schädlich, denn egal wie toll das KH Nord auch sein soll, Spitalskeime wird es auch dort geben.

Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom
und Publizist.