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Das Kreuz des Papstes

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Der Papst ist ein dankbarer Reibebaum. Dem Oberhaupt der katholischen Kirche ans Bein zu pinkeln, bringt sichere Schlagzeilen. Die zahllosen Protestaufrufe anlässlich des Besuchs von Benedikt XVI. in seiner Heimat Deutschland belegen dies. Manche verweigern sogar Grundregeln von Respekt und Anstand. Tatsächlich verlangt es jedoch in manchen aufgeklärten Kreisen längst mehr Mut, sich ohne ironischen Unterton zum katholischen Glauben zu bekennen als andersrum.

Mitleid mit der katholischen Kirche ist dabei nicht angebracht. Wer so empfindet, akzeptiert sein Gegenüber von vornherein nicht als vollwertig, ja enthebt es seiner Selbstverantwortlichkeit. Für die weitgehende Säkularisierung unserer Kultur ist die Kirche nicht verantwortlich, sie hat sich stets mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gewehrt. Das Kreuz für die gravierenden Verfehlungen in den eigenen Reihen - in Österreich und anderswo - müssen Benedikt und die Seinen dagegen ganz alleine tragen.

An den Institutionen der Kirche ist es, zu entscheiden, worin in der heutigen Zeit der Kern des katholischen Glaubens besteht und welche Elemente dem Wandel der Zeiten unterworfen sind. Und jeder Gläubige entscheidet für sich, ob er sich den Vorgaben beugen will. Auch für die Kirche fällt gesellschaftliche Akzeptanz nicht länger mehr einfach vom Himmel. Überzeugungsarbeit tut not.

Allerdings wirbt die Kirche dabei nicht zuallererst um Akzeptanz und Mitglieder, ihre Kernbotschaft ist seit 2000 Jahren die Wahrheit über Gott und das Wesen des Menschen. Demoskopisch erhobene Zustimmungsraten spielen bei diesem Bewusstsein eine vernachlässigbare Rolle.

Wenn die Kirchenhierarchie auf der Unantastbarkeit ihres Lehrgebäudes beharrt, unterwirft sie sich unweigerlich, dafür jedoch bewusst, einem freiwilligen Schrumpfungsprozess in ihren einstigen Kernländern des christlichen Europas. Andere Angebote aus dem immer größer werdenden Supermarkt der religiösen Gefühle werden die entstandene Lücke zweifellos rasch schließen. Auch emotionale Bedürfnisse funktionieren heute nach den Gesetzen der Marktwirtschaft.

Dem Papst aus Deutschland ist dieses Szenario zweifellos bewusst. Und er weiß um die Notwendigkeit, die Kirche auf die Welt von heute einzustellen. Um die Entscheidung, wie dies geschehen soll, ist er nicht zu beneiden.