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Das Kreuz mit dem Kreuzerl

Von Martyna Czarnowska

Politik

Die Volkszählung 2001 ist nicht frei von politischen Begleiterscheinungen. So sorgt die Frage nach den Umgangssprachen bei einigen VolksgruppenvertreterInnen für Unmut - durch Unterscheidungen bei den Angaben befürchten sie eine Teilung der Minderheiten. Die Statistik Austria beschwichtigt.


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Nicht nur in Kärnten gärt es. Dort hatten Heimatverbände dazu aufgerufen, bei der Volkszählung Slowenisch als Umgangssprache nicht anzugeben. Unter den burgenländischen Kroaten stößt wiederum eine Formulierung auf Unverständnis: die Differenzierung zwischen kroatisch und burgenland-kroatisch.

Verwirrende Unterscheidung

Für Stefan Pauer ist diese Unterscheidung "überflüssig und verwirrend". Der Vorsitzende des burgenländisch-kroatischen Kulturvereins in Wien weist auf die Möglichkeit von Interpretationsfehlern hin und ergänzt: Jede Sprachvariante sei eine kroatische Variante. Dem Argument der Statistik Austria, dass mit dieser Maßnahme lediglich zwischen Gastarbeiter-Innen und Volksgruppen-Angehörigen unterschieden werden solle, kann er nur wenig abgewinnen. "Ob jemand Gastarbeiter ist, lässt sich auch vom Geburtsort oder der Staatsbürgerschaft ableiten", erklärt Pauer.

Hubert Mikel vom Österreichischen Volksgruppenzentrum bringt es anders auf den Punkt: "Es wäre so, als ob ein Vorarlberger gefragt wird, ob er deutsch oder allemanisch spricht." Zwar sei es positiv zu bewerten, dass die Sprachen der Volksgruppen angeführt werden, doch deren Aufteilung hält er für problematisch.

Die Einwände, die VertreterInnen der kroatischen Minderheit in Bezug auf die Unterscheidung nun anbringen, lassen sich nicht mit sprachlichem Feingefühl allein erklären. Vielmehr liegt die Befürchtung nahe, dass eine Teilung der Volksgruppe die Folge sein könnte. Und die Zahl der Angehörigen zu einer Volksgruppe ist nicht zuletzt eine der Grundlagen für die verfassungsrechtlich verankerte Minderheitenförderung.

Zwar dürfe formalrechtlich die Zahl derer, die bei der Volkszählung eine Minderheitensprache angeben, nicht mit der Anzahl der Volksgruppen-Angehörigen gleichgesetzt werden. "Aber realpolitisch spielt es sehr wohl eine große Rolle", stellt Marjan Sturm, Vorsitzender des Zentralverbandes slowenischer Organisationen in Kärnten, fest. Für ihn ist klar: Mit ihren Aufrufen wollen die Kärntner Heimatverbände die Zahl derjenigen, die sich zu einer Volksgruppe bekennen, "drücken".

Neben den Kroaten bilden die Slowenen die größte Minderheit in Österreich. Bei der Volkszählung 1991, bei der erstmals die Sprachen der anerkannten Volksgruppen angeführt waren, gaben 20.191 Personen auch Slowenisch an. "Kroatisch" wurde 29.596 Mal angekreuzt.

Wie große Bedeutung der Mehrsprachigkeit zu betonen ist Sturm ein Anliegen - nicht zuletzt in Hinsicht auf einen bevorstehenden EU-Beitritt Sloweniens. "Wir wollen den Leuten klarmachen, dass Mehrsprachigkeit eine wichtige Voraussetzung ist, um am Modernisierungsprozess teilnehmen zu können." Seit gestern finden Informationsveranstaltungen dazu statt.

Mit einer Kampagne wollen auch Vereine der Burgenlandkroaten Missverständnisse ausräumen. Mittels Flugzettel, die zweisprachig verfasst sind, appellieren sie, bei der Volkszählung neben deutsch als Umgangssprache sowohl kroatisch als auch burgenland-kroatisch anzukreuzen.

Flexible Tabellenerstellung

Johann Ladstätter von der Statistik Austria sieht kaum Grund zur Aufregung. Die Unterscheidung wurde eingeführt, um auch Sprachen der hauptsächlichen Gastarbeiter-Nationen zu erfassen, erklärt er. Daher finden sich auf dem Fragebogen neben den sechs Minderheitensprachen "kroatisch", "serbisch" und "türkisch".

"Es ist nur ein kleiner Teil der Burgenland-Kroaten, der sich bei der Unterscheidung unwohl fühlt", vermutet Ladstätter. Doch auch dem könne Rechnung getragen werden. Denn hinsichtlich der Tabellenerstellung sei die Statistik Austria flexibel, versichert Ladstätter. Gespräche mit den Volksgruppen-VertreterInnen seien geplant, was eine Zusammenführung der Sprachen in der Statistik zur Folge haben könnte. Es gebe also drei Möglichkeiten der Angabe, auf die es sich zu einigen gilt: Die Ergebnisse der Volkszählung könnten unter der Spalte "burgenland-kroatisch", "burgenland-kroatisch/kroatisch" oder nur "kroatisch" zu finden sein.

Von einem derartigen Gesprächsangebot wusste Stefan Pauer auf Anfrage der "Wiener Zeitung" zwar noch nichts. Begrüßen würde er es aber auf alle Fälle - und für eine Zusammenführung der "kroatischen Sprachen" plädieren.

Zählung vor Verfolgung

Andere Überlegungen spielen bei der Volksgruppe der Roma und Sinti eine Rolle. 1991 haben lediglich 122 Personen "romanes" als Sprache angegeben. "Roma wollen sich nicht zählen lassen", meint Renata Erich vom Romano Centro und führt historische Gründe an. Denn viele Verfolgungen haben mit einer Zählung begonnen. Im 19. Jahrhundert seien die wandernden Roma als potentielle Verbrecher registriert worden. Es entstand ein Verzeichnis, das als "Vorarbeit für die Nazizeit" bezeichnet werden könnte. Und ab den 30er-Jahren machten Roma und Sinti die Erfahrung, dass das Bekenntnis der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe todbringend sein kann. Die Angst vor negativen Folgen sei auch heute noch groß, mutmaßt Erich.

Dass Benachteiligungen aus der Volkszählung resultieren, kann sich Emmerich Gärtner-Horvath weniger vorstellen. Der geschäftsführende Obmann des Oberwarter Vereins Roma hofft, dass die Zahl derer, die "romanes" ankreuzen deutlich steigen werde. Immerhin seien in den letzten Jahren viele Anstrengungen unternommen worden, um das Selbstbewusstsein der Roma in Bezug auf ihre Sprache zu heben. So wird diese mittlerweile in der Volksschule Oberwart als Freifach angeboten.

Es seien langsame Schritte, fügt Gärtner-Horvath hinzu. Doch es ist erreicht, dass eine Sprache, die früher nur im Familienkreis gebraucht wurde, nun auch in der Öffentlichkeit zu hören ist. Wie viele Roma dies bei der Volkszählung zum Ausdruck bringen, kann der Obmann kaum schätzen. Dass sie aber die Erläuterungen zur Befragung auch in ihre Sprache übersetzt lesen können - dafür hat der Verein gesorgt.