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Das Kreuz mit dem Süden

Von Alexander U. Mathé

Politik

In den USA ist ein Streit um die Fahne der Konföderierten entbrannt.


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Charleston. Bo und Luke waren zwei richtig coole Burschen. Südstaatler - schnittige Rebellen, die den korrupten Mächtigen das Handwerk legen; Mädchenschwärme, die lockere Sprüche aus dem Ärmel schütteln, während im Hintergrund Country-Musik läuft. Sie waren die Protagonisten in "The Dukes of Hazzard", einer der erfolgreichsten Serien in den 1980ern der USA (seinerzeit nur geschlagen von "Dallas") und überhaupt des gesamten amerikanischen Kontinents. Neben Cousine Daisy - in hochgeknotetem Holzfällerhemd und Hotpants - gab es noch einen Hauptdarsteller: Bo und Lukes Auto, der Rennwagen General Lee - benannt nach dem erfolgreichen General im US-Bürgerkrieg -, auf dessen Dach überdimensional die Fahne der konföderierten Staaten von Amerika prangte. Sie war die Flagge jener elf Bundesstaaten, die sich 1861 von den Vereinigten Staaten abspalteten und erst 1865 nach einem blutigen Bürgerkrieg zur Union zurückkehrten. Die Serie war eine Romantisierung, ohne groß Fragen zu stellen. Bürgerkrieg, Sklaverei, Überlegenheit der Weißen und andere Werte, für die diese Fahne ursprünglich stand, wichen Landidylle, Handschlagqualität und Wehrhaftigkeit im Dienste der guten Sache.

Fahne ist bis heute offiziell

Bis zum heutigen Tag wehen Flaggen der Konföderierten vor und auf Staatsgebäuden in den Südstaaten. Zwei Bundesstaaten haben sie mehr oder weniger direkt in ihre heutigen Fahnen übernommen: Mississippi und Georgia. Andere stellen die Fahne der Rebellen zusätzlich zur eigenen vor Parlament und Regierungsgebäude. Doch einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung versetzt es einen Stich, wenn er an dem "Kreuz des Südens" vorbeigeht.

Für Afroamerikaner muss es seit jeher ein Hohn gewesen sein, dass die Volksrepräsentanten die Fahne jener hissen, die bis zum bitteren Ende die Versklavung der Schwarzen verteidigten. In ganz Amerika gab immerhin rund ein Drittel der durch das Pew Research Center Befragten an, dass die Flagge für sie negativ behaftet sei. Geht es nach Gouverneurin Nikki Haley, soll sich das zumindest in South Carolina schon bald ändern.

150 Jahre nach Ende des Amerikanischen Bürgerkrieges sei es an der Zeit, die vor dem Parlaments- und Regierungssitz in South Carolinas Hauptstadt Columbia wehende KonföderiertenFlagge zu entfernen, sagte Haley. Den Anstoß für diese Forderung gab das Attentat von Charleston. Der mutmaßliche Mörder von neun Schwarzen in der Emanuel African Methodist Episcopal Kirche ist ein weißer Rassist.

Sieht man die Fotos von Dylan R. durch, so bemerkt man, dass er drei Fahnen mochte: jene der Apartheidregimes in Südafrika und Rhodesien (heute Zimbabwe) und jene der Konföderierten. Das Star Spangled Banner hingegen verbrannte er. Das, obwohl der Akt der Zerstörung der US-Fahne grundsätzlich strafbar ist, auch wenn das Vergehen seit einer oberstgerichtlichen Entscheidung nicht mehr geahndet wird.

R.s Begeisterung für die Konföderierten ist ein klares Zeichen dafür, dass die Zeiten der Salonfähigkeit schwinden - so diese überhaupt jemals wirklich da war. Jahrzehntelang war der Mantel des Schweigens und der stillschweigenden Tolerierung über die Fahne gebreitet, die seit jeher eines der Symbole des rassistischen Geheimbunds Ku-Klux-Klan war. Spätestens seit dem Charleston-Attentat evoziert sie nicht mehr kernige Südstaatler. Rassismus, die Konnotation weißer Überlegenheit - dafür steht die Rebel Flag inzwischen wieder. Und dieser latente Rassismus beschäftigt die USA. Immerhin machen dort Monat um Monat tödliche Übergriffe auf Schwarze Schlagzeilen.

"Von Rassismus nicht geheilt"

"Wir sind vom Rassismus nicht geheilt", sagte Barack Obama in einem Interview mit dem Internetradio WTF. "Und es geht nicht nur darum, dass es unhöflich ist, in der Öffentlichkeit ,Nigger‘ zu sagen", erklärte der erste afroamerikanische Präsident der Vereinigten Staaten. Das Wort "Nigger" zu verwenden ist ein Tabubruch in den USA. Medien sprechen stets nur vom "N-Wort", auch wenn unter Afroamerikanern der Ausdruck selbstironisch verwendet wird. Als Obama es verwendete, wurde es mit einem Piepsen übertönt - doch manchmal muss man die Dinge beim Namen nennen. Das Erbe von Sklaverei und Diskriminierung sei "noch immer Teil unserer DNS", sagte Obama.

Dass das Kreuz des Südens in der Rassismusdebatte einen hässlichen Stellenwert hat, haben auch ein paar andere coole Südstaaten-Burschen gemerkt. Berühmt durch ihr Lied "Sweet Home Alabama", war eines der Markenzeichen der Band Lynyrd Skynyrd die Konföderierten-Flagge. Auch hier war es eher ein Symbol ruraler Romantik sowie dieses seltsam paradox anmutenden historischen Bewusstseins, dass die Südstaaten Jahr um Jahr die Niederlage der Konföderierten gegen die Yankees zelebrieren und nachstellen lässt und dabei eine Mischung aus Stolz, Respekt, aber auch Akzeptanz hervorbringt.

Waren die Konnotationen zu lange verdrängt worden oder war einfach nur die Vereinnahmung durch Rassisten vorangeschritten? Was auch immer der Grund war, Lynyrd Synyrd verkündeten Ende 2012, die Flagge der Konföderierten Staaten von Amerika nicht mehr zu zeigen. Sie wollten nicht mit Rassisten assoziiert werden.

Zwiespältiges Verhältnis

Es ist ein ambivalentes Verhältnis, das viele Amerikaner zur konföderierten Geschichte pflegen. Zwar lernen Kinder in den USA brav, dass die Sklaverei der Konföderierten Ursache des Bürgerkriegs gewesen sei. Andererseits ist die Fahne bis heute Teil der Identität vieler. So erklärte auch der Senator von South Carolina, Lindsey Graham, zum Fahnenstreit: "Es ist Teil dessen, was wir sind." Und so ist bis heute in vielen Bundesstaaten neben der US-Flagge auch das Verbrennen der Konföderierten-Fahne verboten. "Die Probleme, die wir in South Carolina haben, sind nicht da wegen Symbolen, sondern wegen dem, was in den Herzen der Leute ist", sagte Graham dem Fernsehsender CNN.

Aber in South Carolina, dem Bundesstaat, in dem der Bürgerkrieg begann, ist die Symbolik besonders prekär. Um die Fahne - wie von der Gouverneurin gefordert - nun ganz zu entfernen, muss das von den Republikanern dominierte Parlament zustimmen.

Doch das Verbannen von einmal liebgewonnenen Symbolen ist nicht unbedingt die beste Lösung für ein Problem, das viel tiefer sitzt. Diese Ansicht vertrat zumindest der ehemalige südafrikanische Freiheitskämpfer und Präsident Nelson Mandela. Nachdem er das Amt als Staatschef übernommen hatte, setzte er sich vehement dafür ein, die Symbole der Rugby-Nationalmannschaft beizubehalten. Für die Weißen repräsentierten diese Stolz und Überlegenheit, für Schwarze hingegen standen sie für die Apartheid. Die Abschaffung, so Mandelas Ansicht, vertiefe nur den Graben zwischen den Volksgruppen.

Der Macht dieser symbolistischen Anhänglichkeit beugten sich schließlich auch Lynyrd Skynyrd. Nachdem sie verkündet hatten, nie wieder die Konföderierten-Fahne zeigen zu wollen, war der Proteststurm ihrer Fans enorm. Schließlich ruderte die Südstaaten-Band zurück. Das Zeigen der Flagge würde den Einsatz für Bundesstaatsrechte symbolisieren und auch den Stolz der Bandmitglieder zeigen. Dafür gaben sie der Fahne eine neue Bedeutung. Für sie stehe sie fürderhin für "Heritage not Hate" (Erbe nicht Hass). Eine Einstellung, mit der man leben kann.