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Vor ziemlich genau einem Jahr bot die ÖVP ein Bild des Jammers. Der damalige Obmann und Vizekanzler Michael Spindelegger wehrte sich mit Händen und Füßen gegen eine Steuerreform und stand in der eigenen Partei schwer unter Druck. In den Umfragen lag er bei der "Kanzlerfrage" abgeschlagen hinter Werner Faymann. Damals mutmaßten politische Analysten, Österreich stünde vor Neuwahlen, weil es die ÖVP zerbröselt. Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann forderte vehement eine Steuerreform und die "Millionärssteuer". (Im August 2014 warf Spindelegger schließlich entnervt das Handtuch, es folgte Reinhold Mitterlehner.)
Nur zwölf Monaten später haben sich die Vorzeichen umgekehrt. Mitterlehner führt in der Kanzlerfrage deutlich, dafür bietet nun die SPÖ ein Bild des Jammers. Auch wenn sich die Linzer SPÖ für ihre - sagen wir höflich: verunglückte - Plakataktion gegen ein Asylzentrum entschuldigte: Sie wurde zuvor akzeptiert, und das ist schlimm genug. Dass dies noch am selben Tag stattfand wie der "Asylgipfel", den Bundeskanzler Faymann ansetzte, unterstreicht das bestürzende Bild der Sozialdemokratie. In der ÖVP wächst die Lust an Neuwahlen, Mitterlehner fordert Pensionsreformen, die Bevölkerung Aktionen gegen die ungewohnt hohe Arbeitslosigkeit. Jetzt steht Werner Faymann in der SPÖ unter Druck.
Und das alles innerhalb eines Jahres. Allein mit diesem Rückblick darf es nicht verwundern, dass die FPÖ durch bloßes Zuschauen in der Wählergunst gewinnt.
Denn die einzige Währung, die ein Regierungs-Politiker hat, ist seine Glaubwürdigkeit. Und zur Glaubwürdigkeit gehören Stabilität und Berechenbarkeit. Um beides zu erhöhen, wurde die Legislaturperiode ohne große Diskussion von vier auf fünf Jahre verlängert. Wenn aber innert Jahresfrist beide Regierungsparteien von solchen Krisen heimgesucht werden, ist es mit Stabilität nicht weit her.
Folgerichtig mutmaßen die Politexperten nun, dass es in Bälde Neuwahlen geben werde, weil in der SPÖ alles möglich ist, wenn auch die Wien-Wahl danebengehen sollte.
Die oppositionelle FPÖ braucht also nur zu beobachten, wie das Krisen-Pendel in den Regierungsparteien in immer kürzeren Abständen hin- und herschwingt.