Wie sehr die neuen Technologien Arbeitswelt und Individuen verändert haben - und wie wenig die Öffentlichkeit dies wahrnimmt.
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So ein Bucherfolg ist ein flüchtig Ding. Die Aufmerksamkeitsspanne der Öffentlichkeit ist viel zu gering geworden, als dass ein Werk sich lange an der Spitze der Bestsellerlisten halten könnte, die seit ihrer Einführung zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Marketinginstrument dienen.
Erinnert sich zum Beispiel noch jemand an "Ego. Das Spiel des Lebens", das vor vier Monaten die deutschen Bestsellerlisten anführte? Das Werk von Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der konservativen "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ), liegt mittlerweile nicht mehr unter den Top-Ten. Aber schon vor seinem offiziellen Erscheinungsdatum im Februar sorgte Schirrmachers These, der Egoismus habe in im heute dominierenden Weltbild des "homo oeconomicus" seinen Höhepunkt erreicht, für heftige Diskussionen im deutschen Feuilleton. Manche sahen einen Verschwörungstheoretiker am Werk, andere wähnten "die Kapitalismuskritik inzwischen im Herzen des Kapitalismus angekommen". Schirrmacher sieht sich selbst hingegen als einen durchaus bürgerlichen Kritiker der Kapitalismus-Auswüchse.
Schirrmachers Behauptung lautet, dass die von den USA zur Bekämpfung der Sowjetunion benutzte Spieltheorie nach dem Ende des Kalten Krieges ihren Weg in die Finanzindustrie fand. Die mathematischen Modelle, die die Interaktion zwischen verschiedenen "Spielern" berechnen sollen, wären in die Computermodelle der Wall Street eingeflossen und hätten so zu einem "Informationskapitalismus" geführt, der nur noch den rationalen Egoisten als Menschenbild gelten lässt.
Kritiker bemängelten Schwächen in Schirrmachers Argumentation, die Prominenz des Autors führte aber immerhin dazu, dass wieder einmal auf die ungeheure Wandlung unserer Gesellschaft durch die Informationstechnologie aufmerksam gemacht wurde. Dass heute an den Wirtshaustischen eifrig ins Smartphone getippt wird, wo früher noch das Gespräch gepflegt wurde, ist dabei nur die Oberfläche.
Wie tief die Veränderungen in die Arbeitswelt wie auch in das Leben der Individuen reichen, hat der US-amerikanische Soziologe Richard Sennett bereits 2005 in seinem kleinen Buch "Die Kultur des neuen Kapitalismus" dargestellt. Seiner Diagnose zufolge erfüllte die technologische Revolution mit ihrer Schnelligkeit und Automatisierung die Forderungen des Finanzkapitals, das in den 1970ern seinen Siegeszug antrat, nach raschen Gewinnen. Flexibilität, Innovation und Dynamik wurden zu neuen Leitlinien und beseitigten die langfristigen Beziehungsgefüge in den Unternehmen, "Potenziale" traten an die Stelle erbrachter Leistungen. Einige Folgen für die Arbeitnehmer: zunehmender Stress, sinkende Arbeitsethik, das "Gespenst der Nutzlosigkeit".
Was Schirrmacher und Sennett trotz mancher Unterschiede verbindet, ist eine gewisse Ratlosigkeit gegenüber den von ihnen geschilderten Phänomenen. Vielleicht verhindert ja das Fehlen politischer Rezepte einen Erfolg, der über die kurze Verweildauer in den Buch-Charts hinausgeht. Schade, dass diese interessanten Analysen so wirkungslos verpuffen.