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Dass die FPÖ das Innen-, Sicherheit und Verteidigungsressort erhält, stößt auf Kritik. Fünf ÖVP-Frauen auf Ministerposten.
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Wien. Man wolle sich Zeit nehmen, für die Verhandlungen. Das war Heinz-Christian Strache wichtig. Schließlich wollte der FPÖ-Chef auf jeden Fall vermeiden, dass es ihm so ergeht wie damals Jörg Haider. Die Erfahrungen der ersten schwarz-blauen Regierungsverhandlungen sind tief im kollektiven Gedächtnis der Freiheitlichen verankert. Zu schnell sei es damals gegangen, um eine freiheitliche Handschrift deutlich im Programm zu verankern.
Mit 55 Tagen Verhandlungen aber liegt die Dauer der nun beendeten Koalitionsgespräche zwischen der Kurz-ÖVP und des oft als ewigen Oppositionellen dargestellten FPÖ-Chefs Strache fast im langjährigen Durchschnitt von 60 Tagen. Am Samstag wollen Sebastian Kurz, der bald jüngste Kanzler der 2. Republik, und Strache ihr fertiges Regierungsprogramm der Öffentlichkeit vorstellen. Was die Verhandler bis dato herausließen, war nicht besonders üppig. Immerhin wurde in einigen Punkten, allen voran dem Ende des für Mai geplanten totalen Rauchverbots, zumindest die - erwartbare - heftige Kritik bereits vorweggenommen. Wie sich auf Straches reichweitenstarker Facebook-Page zeigte, waren zahlreiche seiner Fans von der geplanten Einführung des 12-Stunden-Tags alles andere als begeistert. Wo es Veränderungen gibt, werde nicht jeder glücklich sein, so die sinngemäße, stereotype Antwort von Kurz und Strache auf die Kritik.
Unter Gegnern von Schwarz-Blau sorgt wiederum vor allem die fast fertige Ressortaufteilung für Empörung: Die FPÖ bekommt aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nur den von ihr von Anfang an geforderten Innenminister, sondern auch das Verteidigungsministerium - und der Parteichef dazu ein eigens für ihn geschaffenes "Sicherheitsressort" mit bisher unklaren Kompetenzen. Viel Macht für die langjährige Oppositionspartei, deren erneute Regierungsbeteiligung international, vor allem auf EU-Ebene, skeptisch beäugt wird.
Funk: "Enormer Machtfaktor"
Zu viel Macht, findet etwa Heinz Mayer. "Die gesamte bewaffnete Staatsmacht und alle Geheimdienste in einer Hand - das ist unerträglich und gehört dringend verhindert", sagt der Verfassungsjurist gegenüber dem "Standard". Je leichter Macht missbraucht werden könne, desto eher geschehe dies auch. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder appellierte am Freitag an den Bundespräsidenten. Er hoffe, dieser werde die Machtkonzentration so nicht zulassen. Rein juristisch ist die Bündelung von Exekutive und Militär bei einer Partei aber kein Problem, sagt der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk zur "Wiener Zeitung". Das Bundesministeriengesetz, für das nur eine einfache Mehrheit nötig ist, sehe lediglich vor, dass keine zwei Ministerien von nur einem Minister geführt werden dürfen. "Politisch betrachtet bringt dieser FPÖ-Machtmehrwert natürlich Probleme mit sich", sagt Funk. Für eine Partei würde ein "enormer Machtfaktor" eingerichtet. Auch müsse man sich "ansehen, welche Agenden im Sicherheitsministerium zusammenfließen, wenn dieses tatsächlich eingerichtet wird".
Dass FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl und nicht Strache selbst das Innenministerium übernehmen wird, hat wohl auch mit den vier bevorstehenden Landtagswahlkämpfen zu tun. Erfahrungsgemäß ist es der Parteichef selbst, der in den Ländern als Zugpferd fungiert. Ein arbeitsintensives Ministerium wie das Innenressort könnte Strache hier schlicht und einfach zu viel werden.
Ein vorgesehener FPÖ-Minister ist offensichtlich für den Bundespräsidenten nicht ganz unproblematisch. Für Mario Kunasek, FPÖ-Chef in der Steiermark, einschlägig bekannter Partei-Rechtsaußen und möglicher neuer Verteidigungsminister, dauerte das Hearing bei Alexander Van der Bellen länger als bei den anderen Ministerkandidaten. Es gebe "Protest aus dem Offizierscorps" gegen die Person Kunaseks, war am Freitagnachmittag aus Kreisen der Präsidentschaftskanzlei zu hören. Dem Vernehmen nach wurde Kunasek aber von Van der Bellen am Freitagabend als neuer Verteidigungsminister akzeptiert.
Blauer Frauenmangel
Neben der als Fixstarterin gehandelten Nahost-Expertin Karin Kneissl im Außenministerium (die Europa-Agenden erhält Kurz persönlich) soll es nur eine weitere blaue Ministerin geben: Beate Hartinger, Unternehmensberaterin und bis 2009 stellvertretende Generaldirektorin im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, soll als Sozialministerin die Zusammenlegungen der Sozialversicherungsträger koordinieren. Steuerberater Herbert Fuchs soll Staatssekretär im Finanzministerium werden, fix ist auch Norbert Hofer als Infrastrukturminister.
Mehr Frauen soll es dem Vernehmen nach auf ÖVP-Seite geben. Elisabeth Köstinger soll entweder das Landwirtschafts- oder das Bildungsressort erhalten. Sie wäre so nicht nur die jüngste, sondern auch die kürzest dienende Nationalratspräsidentin. Ihr Nachfolger: Noch-Innenminister Wolfgang Sobotka. Mit der Grazer Molekularbiologin Juliane Bogner-Strauß soll es doch eine eigene Frauenministerin geben. Die Bregenzer Stadträtin und Volksschulpädagogin Veronika Marte könnte das Ressort Bildung, Jugend und Familie führen; Henrietta Egerth-Stadlhuber, seit 2000 im Wirtschaftsministerium für Förderungen zuständig, soll das Ressort übernehmen. Die oberste Staatsanwältin Eva Marek ist für das Justizministerium vorgesehen. Kurz’ enger Vertrauter, der Wiener Parteichef Gernot Blümel, wird Kurz den Rücken freihalten und Ex-FPÖ-Mann Josef Moser soll Finanzminister werden.