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Zur Berichterstattung über die Mapuche in Chile.
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Chile, das "Land der brennenden Kirchen", heißt es im Artikel von Tobias Käufer zu dem Konflikt zwischen den Mapuche und dem chilenischen Staat. Die Mapuche seien "kampferprobte und vor allem ausdauerstarke Verfechter ihrer Rechte". "Radikale Mapuche" hätten in den vergangenen zwei Jahren neben "rund zwei Dutzend Kirchen" auch "Firmenbesitz" angezündet und forderten "von den Staaten (Argentinien und Chile, Anm.) Land zurück, das ihrer Meinung nach widerrechtlich an Unternehmen verkauft wurde oder sich der Staat selbst aneignete".
In der Tat ist in der "Unruheregion Araucania", wie Käufer sie nennt, der Streit zwischen staatlichen Institutionen und indigenen Gemeinschaften präsent. Die Region ist das Zentrum der ursprünglichen Heimat der Mapuche, und ihre Forderungen nach Gerechtigkeit, Freiheit und
Anerkennung werden vor allem hier lautstark verkündet. Forderungen, die durchaus ihre Berechtigung haben, denn seit der Ankunft der spanischen Konquistadoren in dem südamerikanischen Landstreifen zwischen Anden und Pazifik sind die Mapuche kolonialen und expansiven nationalen Interessen ausgesetzt. Ihre Geschichte strotzt bis heute regelrecht von Kriegen und Massakern, Landraub und Vertreibung, Verfolgung und Folter, struktureller Diskriminierung, Rassismus und Schikanen.
Die Araucania-Region ist die ärmste des Landes und besonders Angehörige des indigenen Volkes sind von Armut betroffen. Der Staat hingegen leugnet die Missstände in der südchilenischen Region und arbeitetet stattdessen eng mit transnationalen Konzernen und inländischen Großunternehmen zusammen, die den ursprünglichen Lebensraum der Indigenen bedrohen. Vor allem forstwirtschaftliche
Betriebe, die auf großer Fläche heimische Wälder abholzen um Platz für Eukalyptus- und Kiefer-Monokulturen zu schaffen sowie Lachszuchten und Wasserkraftwerke, die die Umwelt kontaminieren und zerstören, machen ihnen zu schaffen.
Im Kosmos der chilenischen und argentinischen Urbevölkerung spielt die Natur eine zentrale Rolle: Jeder Fluss, jeder Baum, jede Pflanze, jedes Tier hat einen Geist, der es bewacht. Um das Gleichgewicht zwischen diesen Geistern und ihren Kräften zu erhalten, ist ein Leben im Einklang mit und in tiefem Respekt zur Natur grundlegend. Staatliche Institutionen und Transnationale Unternehmen wollen das allerdings nicht wahrhaben und setzen fortlaufend Großprojekte im Süden des Andenlandes durch, die die Natur zerstören und ihr Gleichgewicht aus den Fugen reißen.
Wenn Aktivisten soweit gehen und Brandanschläge auf Kirchen oder Firmenbesitz vorbereiten, dann liegt das vor allem daran, dass es ihnen als einzige Möglichkeit erscheint sich Gehör zu verschaffen. Der Gouverneur der Metropolregion Santiago de Chile Claudio Orrego sagte vor den Brandanschlägen vergangener Woche, Demokratie würde bedeuten Menschen könnten sich freiund friedlich äußern, Gewalt bei Demonstrationen dem hingegen habe in ihr keinen Platz. Das mag
durchaus sein, allerdings heißt Demokratie auch, dass die Meinungen der Bevölkerung gehört und im politischen System verarbeitet werden. In Chile und Argentinien passiert dies allerdings nicht. Im Gegenteil: Behörden und öffentliche Medien brandmarken die Mapuche als Terroristen und polarisieren damit die Massen. In ihrer oft einseitig zugespitzten Berichterstattung blenden sie breite Teile der Bevölkerung und machen sie blind für die Motive, Hintergründe und Kultur des indigenen Volkes. Eine Stimmungsmache, die politisch gewollt ist und den Großkonzernen und Transnationalen Unternehmen in die Hände spielt.
Die Forderungen und Belange der Mapuche als indigenes Volk müssen gehört und akzeptiert werden, gleichzeitig dürfen sie nicht durch Politiker und Massenmedien zu Terroristen erklärt werden. Mit mehr als 1.3 Millionen Menschen entsprechen sie immerhin etwa 7,5 Prozent der chilenischen Gesamtbevölkerung. Bei der Berichterstattung zu einem so komplexen und polarisierenden Thema wäre mehr und gründlichere Recherche sowie weniger Polemik angebracht. Besonders bei Themen, die nicht viel Präsenz in der landesweiten Presse zeigen, ist eine gute qualitative Berichterstattung umso wichtiger.