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Wieder einmal gibt es im Fall Kampusch eine neue "Spur". Aber weder der Spurenleger noch der Verdächtige sind neu im Verwirrspiel rund um ein entführtes Mädchen.
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Sieht man sich den Internet-Auftritt des "Zeugen" Thomas Vogel an, so gewinnt man den Eindruck, der Mann lebe davon, Geschichten über Verbrechensopfer (und die dazugehörigen, gut besuchten Internet-Domains) unter die Leute zu bringen.
Der gelernte Krankenpfleger hat sich bereits wenige Tage nach Kampuschs Wiederauftauchen 2006 die Domain Kampusch.de gesichert. Auch unter Kampascha.de ist Vogel - zum gleichen Thema - aktiv, man findet aber auch Details zur leidgeprüften Amstettener Familie F. - und sogar eine Rubrik "Spenden".
Der Polizei wirft er in zwei Videos vor, sich nie für seine Geschichten interessiert zu haben, weshalb er nun "im Sinne der Wahrheitsfindung" an die Öffentlichkeit treten müsse. In diesem Sinne hätte er als selbsternannter Aufdecker aber zuvor doch längst jene Beamten wegen Amtsmissbrauchs anzeigen müssen, die seine angeblich stichhaltigen Beweise nicht beachtet haben.
Doch Vogel fährt mit seinen von ihm selbst als "provokant" bezeichneten Domains seit Jahren auf der Kampusch-Welle - und hat bisher nichts von sich aus bewiesen. Genauso wenig wie der Grazer Ex-Richter Martin Wabl: Der bezichtigte Nataschas Mutter Brigitta Sirny über Jahre hinweg des sexuellen Missbrauchs und der Beteiligung an der Entführung ihrer Tochter. In mehreren Prozessen ist Wabl jeglichen Beweis dafür schuldig geblieben - bis ihm ein Berufungsgericht im März jegliche weitere Behauptungen untersagte.
Wabl hatte angekündigt, ein neues Verfahren anzustreben - mit Vogel als "Kronzeugen". Bisher gibt es zwar kein neues Wabl-Sirny-Gerichts-Duell - aber dafür die jüngste mediale Vogel-Inszenierung. Dessen Ideen zum Fall geistern allerdings auch schon seit Jahren durch das Internet - Kriminalisten kennen sie genau und messen ihnen keinen übertriebenen Wert bei.
Oberstaatsanwalt Thomas Mühlbacher, der wegen diverser Zweifel (und tatsächlicher Ermittlungs-Pannen) im Fall heuer im Frühjahr den Wiener Staatsanwälten beigestellt worden ist, scheint nun wirklich jeden Zweifel beseitigen zu wollen. Dazu gehörte auch, die Vogel-Spuren ein für allemal auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen.
Unabhängig davon könnte es schon bald weitere und möglicherweise stichhaltigere Enthüllungen im Fall geben: Wenn nämlich Evaluierungskommissions-Präsident Ludwig Adamovic sich wegen "übler Nachrede" gegenüber Brigitta Sirny vor Gericht einfinden muss. Diese fühlt sich von Adamovic öffentlich angegriffen. Und vielleicht wird er es sein, der dafür erstmals echte Beweise vor Gericht bringt.