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Das lange Warten auf den OGH

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Elsner-Anwalt zuversichtlich, dass das Urteil nicht hält. | OGH legt sich zeitlich nicht fest. | Wien. Es war am 4. Juli 2008, also vor mehr als einem Jahr, als Richterin Claudia Bandion-Ortner nach über einem Jahr und 117 Verhandlungstagen das Urteil im Bawag-Prozess fällte und alle neun Angeklagten - bis heute nicht rechtskräftig - schuldig sprach. Mittlerweile ist Bandion-Ortner Justizministerin. Ihre Angelobung verzögerte sich allerdings, weil es nochmals sechs Monate dauerte, bis das Urteil ausgefertigt war. Seither läuft die Berufungsfrist, die am 21. August endet.


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Bis dahin haben alle Seiten Zeit, ihre Rechtsmittel auszuformulieren, die dann vom Obersten Gerichtshof (OGH) im Berufungsverfahren gewürdigt werden. Berufen haben alle - auch Staatsanwalt Georg Krakow (mittlerweile Bandion-Ortners Kabinettschef). Er berief gegen Strafen gegen Ex-Bawag-Aufsichtsratschef Günter Weninger, Ex-Vorstand Christian Büttner und Ex-Wirtschaftsprüfer Robert Reiter. Im Fall von Wolfgang Flöttl meldete er zudem Nichtigkeit an. In der Berufung wird Krakow durch Sonja Herbst ersetzt.

Auch Helmut Elsner, der mittlerweile seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft sitzt, meldete Nichtigkeit und volle Berufung an. Im Berufungsverfahren wird er allerdings nicht wie im Prozess von Wolfgang Schubert vertreten, sondern von Elmar Kresbach, der schon so illustre Gestalten wie Elfriede Blauensteiner, Holocaust-Leugner David Irving oder Ex-Libro-Chef Andre Rettberg verteidigte.

"Urteil sehr schlecht"

Kresbach zeigt sich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" zuversichtlich, dass das erstinstanzliche Urteil "nicht halten" wird. Es sei "sehr schlecht". So fehlten etwa bei der subjektiven Tatseite, dem Verschulden, jene "Feststellungen, die das Urteil tragen". Der Vorwurf der Untreue sei "völlig absurd", schließlich sei ein Vorstand verpflichtet, Geschäfte zu machen. Der Sachverständige sei "völlig überfordert" und "unfähig" gewesen und habe vom Bankgeschäft ebenso wie das Gericht "keine Ahnung" gehabt, so Kresbach.

Der Anwalt wird auch nicht müde zu betonen, dass Elsner "Opfer eines nahezu einmaligen Justizskandals" geworden sei. Das Verfahren sei ein politischer Prozess gewesen. Man habe ein Bauernopfer gesucht, "um Gusenbauer die Wahl zu ermöglichen".

Spekulationsverluste, so Kresbach, gebe es überall, in Niederösterreich, in den Gemeinden, in den Banken, aber eingesperrt werde niemand. Sein Fazit: "Wenn der OGH das Urteil nicht aufhebt, verliere ich meinen Glauben an den österreichischen Rechtsstaat."

Auf Frist folgt Frist

Wesentlich emotionsloser sieht die Sache Herbert Eichenseder. Bei einem 800 Seiten starken Urteil gebe es natürlich hin und wieder Fehler, die inhaltliche Beurteilung wolle er aber dem OGH überlassen, so der Anwalt von Wolfgang Flöttl.

Der OGH wird als zweite (und im Normalfall letzte) Instanz die endgültige Entscheidung über die Urteile fällen - frühestens aber im kommenden Jahr. Denn auf die Berufungsfrist folgt zuerst einmal die Gegenausführungsfrist. Hier können die Parteien jeweils Stellung nehmen zu den Rechtsmitteln der anderen Seite. Diese dauert in der Regel vier Wochen, kann aber auf Anfrage verlängert werden. Wann diese Frist endet, liegt im Ermessen des zuständigen Richters, wie Christina Salzborn, Richterin am Wiener Landesgericht, erklärt.

Doch auch dann ist der OGH noch nicht an der Reihe. Erst gibt noch die Generalprokuratur ("quasi die Staatsanwaltschaft des OGH") ihre Stellungnahme ab, das sogenannte "Croquis", erklärt Staatsanwalt Gerhard Jarosch. Erst dann beschäftigt sich ein Strafsenat am OGH, bestehend aus fünf Berufsrichtern, mit der Causa.

Wann dieser Senat dann seine abschließende Entscheidung fällt, ist - wie von Anfang an alle zeitlichen Fragen im Bawag-Prozess - schwer abzusehen. Ein Verfahren in dieser Dimension habe man nur selten, erklärt OGH-Richter Kurt Kirchbacher. Auf einen Termin will er sich nicht festlegen. Nur soviel: "Es wird eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen".

Wissen: Der Instanzenzug im Strafrecht

Im Strafrecht ist der Instanzenzug zweistufig. Bei Vergehen, die mit höchstens einem Jahr oder nur einer Geldstrafe bedroht sind, ist in erster Instanz das Bezirksgericht zuständig. In zweiter Instanz entscheidet in diesen Fällen ein Drei-Richter-Senat am Landesgericht, und zwar bezüglich Schuld, Strafe und Nichtigkeit.

Bei Vergehen, die mit bis zu fünf Jahren bedroht sind, bildet ein Einzelrichter am Landesgericht die erste Instanz. Bei schweren Delikten, die mit bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, entscheidet in erster Instanz ein Schöffengericht (wie in der Causa Bawag) oder ein Geschworenengericht am Landesgericht. Bei Fällen, wo das Landesgericht die erste Instanz bildet, entscheidet das Oberlandesgericht die Berufungsfälle bezüglich Schuld und Strafmaß. Wird hingegen (auch) Nichtigkeit angemeldet, wird automatisch der Oberste Gerichtshof zur zweiten Instanz.