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Das Leben der Lega nach Bossi

Von WZ-Korrespondent Wolf H. Wagner

Politik

Weitere Existenz der italienischen rechtspopulistischen Partei ungewiss.


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Florenz. Die Nachricht kam wie ein Paukenschlag in die vorösterliche Stimmung Italiens: Umberto Bossi tritt vom Vorsitz der Lega Nord zurück. Von Verrat war die Rede und der biblische Ausdruck: "Judas" - gemünzt auf die Nummer zwei der Lega, Ex-Innenminister Roberto Maroni - machte die Runde. Er fühle sich nicht besiegt, erklärte Bossi am Abend seines Rücktritts. "Die ganze Geschichte stinkt doch, die hängen das meiner Familie an, um die Lega zu beschädigen", sagte der erboste "Senatur", wie man ihn auf Lombardisch nennt.

Die "ganze Geschichte", das heißt: Die Lega steckt im tiefen Schlamassel. Schatzmeister Francesco Belsito, so deckten es die Ermittler der Staatsanwaltschaften Mailand, Neapel und Reggio Calabria auf, hat in Millionenhöhe durch Vorlegen falscher Wahlergebnisse Wahlkampfrückerstattungen aus der Staatskasse gefordert und bekommen. Darüber hinaus hatte der Ex-Staatssekretär im Ministerium für Vereinfachung der Gesetzgebung - nicht ohne Wissen der Parteispitzen - Gelder in Höhe von 6 Millionen Euro in Wirtschaftsprojekte in Tansania und Zypern investiert.

Empfänger und Vermittler des Geldes war Romolo Girardelli, in Mafia- und Polizeikreisen besser bekannt als "l’Ammiraglio" - der Admiral. Girardelli gilt als einer der Spitzenvertreter des ’Ndrangheta-Clans De Stefano aus Reggio Calabria. Er bezeichnete in einem abgehörten Telefonat den Schatzmeister Belsito als "meinen Sozius". Roberto Saviano, bekannter Mafia-Enthüller, meinte nach Bekanntwerden der Verbindungen Girardellis zu Belsito, jetzt sei "der Schleier der Beziehung ’Ndrangheta-Lega Nord endgültig gefallen".

Was Bossi jedoch zum Rücktritt veranlasste, war die Tatsache, dass sein Schatzmeister erhebliche Summen aus den veruntreuten Geldern (und wahrscheinlich auch aus der Geldwäsche der Mafia) für die privaten Ausgaben Renzo Bossis, des Sohnes und unter der Hand schon als Nachfolger an der Spitze der Lega gehandelt, aufgewandt hatte. Bisher wurde eine Summe von 200.000 Euro genannt, die Ermittler suchen weiter. "Man muss manchmal für die Fehler der anderen einstehen, die den gleichen Nachnamen tragen", erklärte Umberto Bossi und ergänzte: "Ich trete zurück zum Wohle der Bewegung und der Militanten. Alles hat dem Wohle der Lega und der Fortsetzung ihres Kampfes zu dienen."

Lega mit Bossi kaum trennbar verknüpft

Doch ob die Lega Nord ohne ihren charismatischen Chef weiterhin erfolgreich politisieren kann, ist eher zweifelhaft. Zu sehr ist die separatistische Partei des italienischen Nordens mit der Person ihres Anführers verknüpft. Anfang der 80er Jahre gründete Bossi die Lega Lombarda, als deren Vertreter er 1987 erstmals in den Senat gewählt wurde. Mit dem Zerfall der ersten Republik und der etablierten Parteien Anfang der neunziger Jahre etablierte sich die Lega Nord zur Massenpartei und knüpfte ihr politisches Leben künftig an Koalitionen mit dem neu aufkommenden Silvio Berlusconi und dessen Parteien. In allen vier Kabinetten Berlusconis war Bossi als Minister vertreten. Nach Herzinfarkt und Schlaganfall im Frühjahr 2004 schien fast das politische "Aus" für den Senatur gekommen. Doch zeigte sich Bossi als unzerstörbares Stehaufmännchen - noch im selben Jahr wurde er von seiner Partei als Europaabgeordneter gewählt.

Je härter die Wirtschaftskrise Italien in den letzten Jahren traf, desto mehr verbesserten sich die Wahlergebnisse der populistischen, auf Trennung des reichen Nordens Italiens vom ärmeren Rest bedachten Partei. Damit setzte Bossi vielfach den damaligen Regierungschef Silvio Berlusconi unter Druck, die Interessen der Lega vordergründig wahrzunehmen. Bossi scheute nicht die offene Konfrontation mit Berlusconi. Bereits 1994 hatte er mit seinem Ausscheiden aus der Regierung diese zu Fall gebracht. Schließlich wandte er sich auch 2011 vom Cavaliere ab. Deutlich distanzierte sich Bossi vom neuen Regierungschef Mario Monti, betont seinen Kampf für die Unabhängigkeit "Padaniens" und lehnt jegliche Regierung aus Rom ab.

Ob sein Rücktritt eine Wende in der Politik der Lega bedeutet, bleibt abzuwarten. Die Führung übernahm vorerst das Triumvirat aus dem Parteikoordinator Roberto Calderoli, dem Ex-Innenminister Roberto Maroni sowie der venezianischen Parlamentsabgeordneten Emanuela Dal Lago, einer bislang wenig in Erscheinung getreten Person. Von ihnen ist jedoch kaum eine ähnlich konsequente und militante Führung der Lega zu erwarten. Maroni trat bei Bekanntwerden der ersten Verdachtsmomente gegen Belsito die Flucht nach vorn an und forderte eine "Säuberung der Partei". Dafür wurde er von Anhängern vor dem Lega-Sitz in Mailand lautstark mit "Judas" beschimpft. Die Lega war und ist Bossi - ob sie nach dem Rücktritt des Senatur eine ernstzunehmende Partei bleiben wird, ist zweifelhaft.