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Das Leben - ein Investmentansatz

Von Barbara Ottawa

Wirtschaft
Barbara Ottawa ist freie Journalistin und berichtet vorwiegend über Investitionen und Pensionskassen.

Wenn das Geld die (Gedanken-)Welt regiert.


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Es gibt Dinge, mit denen spielt man nicht. Dazu gehören Menschenleben und menschliche Tragödien. Äußerst befremdlich scheint es daher zunächst, wenn Versicherungsrisiken auf dem Kapitalmarkt genau wie andere Anlageformen verbrieft - also in handelbare Wertpapiere gegossen - werden. Ein extremes Beispiel sind sogenannte "Katastrophen-Anleihen", kurz Cat Bonds.

Dabei begeben Versicherer Anleihen, um Risiken, die sie selbst angenommen haben, zu finanzieren - eine Art Rückversicherung über den Kapitalmarkt. Die meisten Katastrophen-Anleihen werden in den USA begeben: auf Sturmversicherungen oder andere Naturereignisse, aber es gibt auch solche auf Finanzmarkt-Katastrophen.

Für den Investor bedeutet diese Anlageform eine lukrative Rendite, solange ein vorher ausgemachtes Ereignis nicht eintritt: etwa die Überschreitung einer gewissen Schadenssumme nach einem Sturm. In diesem Fall verliert der Anleger sein gesamtes Anlagevermögen. Seit der Mitte der 90er-Jahre, als die ersten Cat Bonds auf den Markt kamen, hoffen somit nicht mehr nur Bewohner einer bestimmten Gegend auf das Fernbleiben eines Sturmes oder zumindest darauf, dass die Schadenssumme niedrig ausfällt, sondern Investoren auf der ganzen Welt.

Branchenjournalisten prägen dann Phrasen wie "der teuerste Sturm aller Zeiten" - dabei seien die Verluste bei jeglicher Naturkatastrophe "ein Wassertropfen im Ozean" verglichen mit Verlusten durch ein weltweites Einknicken der Börsen um ein Prozent.

Einen solch statistischen Umgang mit Menschenleben ist man natürlich bereits seit Jahrhunderten aus der Versicherungsbranche gewöhnt, aber irgendwie scheint er unangemessener, wenn nicht große Versicherer, sondern Investoren ihn für die Profitmaximierung anwenden.

Privatpersonen selbst können Katastrophen-Anleihen nicht direkt erwerben, das ist institutionellen Investoren vorbehalten. Als Privater kann man höchstens über spezielle Investmentfonds in diese Anlageform investieren, oder über die Pensionsvorsorge - aber das nur in einigen wenigen Ländern, in denen Altersvorsorgeeinrichtungen risikobereiter investieren als die österreichischen Pensionskassen.

Der Sinn solcher Cat Bonds liegt aber nicht nur in der Profitmaximierung der Anleger, für die so eine neue Anlageform geschaffen wurde, die sich am Kapitalmarkt anders verhält als andere Wertpapiere, weil sie nicht oder nur wenig mit Aktien, Anleihen oder Immobilien korreliert.

Solche Anleihen bieten Versicherern und Rückversicherern die Möglichkeit, die Risiken, die Extremszenarien mit sich bringen, am Kapitalmarkt so zu verteilen, dass es klein genug wird, um den Versicherer im Ernstfall nicht in Nöte zu bringen. Ein Cat-Bond-Investor hat es so ausgedrückt: "Wenn man ein Erdbeben der Stärke 8 nehmen könnte und seine Schockwelle auf den ganzen Planeten aufteilen könnte, würde es niemand fühlen." Für Bewohner der betroffenen Region bedeutet diese Form der Rückversicherung, dass (hoffentlich) das Versicherungsunternehmen nach Eintreten der Katastrophe noch zahlungsfähig bleibt.

Da in den letzten Jahren die Schadenssummen bei Naturkatastrophen vor allem durch die Siedlungsverdichtung aber auch durch extreme Wetterphänomene enorm gestiegen sind, suchen Versicherer neue Methoden zur Rückversicherung. Für traditionelle Rückversicherer wiederum ergibt sich daraus ein Preisdruck, der hoffentlich über die Versicherer an die Endkunden weitergegeben wird.

Barbara Ottawa ist freie Journalistin und berichtet vorwiegend über Investitionen und Pensionskassen.