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Das Leben in einer Wendezeit

Von Franz Witzeling

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Franz Witzeling ist Psychologe und Soziologe.

Die Kommunikationstechniken verändern sich - und damit auch das Verhalten der Menschen.


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Eine Nebenwirkung des kommunikationstechnischen Wandels in unserer Gesellschaft bedingt einen Werte- und Wahrnehmungswandel, der nicht nur unser Verhalten determiniert, sondern vor allem die sozialökonomischen und humanökologischen Rahmenbedingungen radikal verändert.

Das Human- und Sozialkapital wird wichtiger den je. Bis dato war der liberal gehandhabte Finanzkapitalismus die treibende Kraft gesellschaftspolitischer Veränderung. Der Wachstumsfetischismus bestimmte die angestrebten Wert- und Weltbilder, die einer Sucht gleich die steigenden Begehrlichkeiten eines Konsumwahns nicht mehr befriedigen können. Dabei wird ein verdrängtes mentales Vakuum erzeugt, welches nach Zuwendung menschlicher Nähe und persönlicher Wertschätzung schreit. All diese Werte und Bedürfnisse sind unter Sozial- und Humankapital zu subsummieren, welche in der globalisierten kapitalfixierten Konsum- und Kommunikationsgesellschaft nicht oder zu wenig beachtetet wurden.

Soziale Netzwerke gewinnen in ihrem Gebrauchswert einen qualitativen Quantensprung. Werden sie zum Austausch mehr oder weniger banaler Botschaften in Wort, Bild und Ton benutzt, mutiert der Gebrauchswert dieser neuen Netzwerke in Richtung Beziehungsbörsen und Kooperationsplattformen, wo sich die immer wieder neu gebildeten Netzwerkgemeinschaften als ideales Feld für das immer wichtiger werdende Relationship-Management eignen. Medial transportierte Selbstbilder ohne die Chance auf einen Selbstwertgewinn durch kooperative Kommunikation werden trotz der Fremdbildflut über Stars und Sternchen für den einzelnen Einsamen am PC oder Tablet wertlos.

Die Sehnsucht nach Individualisierung, um letztlich in der Gesellschaft authentisch zu wirken, das ist der Werteansatz in einer Welt, die durch Kollektivierung in der Kommunikation und durch Wettbewerb bestimmenden Kooperation geprägt ist. Kommunikatives Cocooning mit Hilfe von personalisierten Boards, das ist der Mediengebrauchstrend der Zukunft. Die Menschen versuchen durch den Gebrauch multimedialer Mandalas zu sich selbst zu finden und wollen nicht Gefahr laufen, mit ihrem Ich im anonym vernetzten Datenuniversum verlorenzugehen.

Smarte Kommunikation durch Smartphones in Soft-Technologie fördert und fordert Soft-Skills, die humane Kommunikationszukunft versprechen. Information, Kommunikation und Kooperation über die neuen Medien sind die Produktions- und Dienstleistungsrahmenbedingungen der Gegenwart und in ganz besonderem Maß unserer Zukunft. Medien und Mobilität sind eine Polarität, die unsere Arbeitswelt im Acht-Stunden-Takt am statischen Arbeitsort fixiert. Die Flexibilität, die die Wirtschaft und die neuen mehrdimensionalen Berufsbilder abverlangen, wird durch die Optionen der virtuellen Kommunikationskultur Realität. Soft-Skills und weniger Hard-Facts, die bisher in den Schulen gepaukt werden, bestimmen das Anforderungsprofil einer durch Beziehungsqualität bestimmten Arbeits- und Freizeitwelt.