Der Selbstmord des afghanischen Jugendlichen in der Schubhaft sei ein "Standardfall" gewesen, meint das Innenministerium. Wir stellen uns also vor, es ist völlig normal, dass ein afghanischer Flüchtling in Österreich schlicht mit Einreiseverbot belegt wird, der über Italien nach Schweden weiterflüchtet, dort von einem Mitbewohner im Auffanglager vergewaltigt wird, von den Schweden nach Österreich zurückgeschickt und von den Österreichern daraufhin in Schubhaft genommen wird. Um ihn nach Schweden zurückzuschicken.
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Ein Standardfall, Menschen-Pingpong als Routine. Der junge Reza Haidari, der für die zuständige Bezirkshauptmannschaft Baden 18, für die vom AKH alarmierte Wiener Jugendfürsorge 16 Jahre alt wurde, wollte nur ein Leben leben. In Freiheit, in Sicherheit, mit Freunden und der Perspektive, einen Job zu bekommen, mit dem er das Auslangen findet. Vermutlich wollen Jugendliche in dem Alter überall Ähnliches, egal, ob sie aus dem afghanischen Besud oder dem niederösterreichischen Holla brunn kommen. Der "Falter", der den Tod des Jugendlichen berichtete, zitiert aus seiner Einvernahme: "Das Liebste, was man hat, ist das Leben." Er kam ins - für ihn vermutlich unfassbar reiche - Europa. Hier wurde er zum Pingpong-Ball einer Asylpolitik, die dem Grundsatz gehorcht: Nur weg mit diesen Leuten. Gestorben ist Reza Haidari am 19. Juli, er erhängte sich.
Wo ist Reza Haidari begraben? Ist wenigstens sein Vater, der ein Grundstück verkaufte, um dem Sohn die Flucht zu finanzieren, verständigt worden? Vielleicht könnten sich wenigstens darauf die heimischen Behörden einigen.
Ein junger Mann starb, weil Europa sich weigert, eine gemeinsame Asylpolitik, getragen von den Grundrechten der EU, zu beschließen. Oder nein, eine gemeinsame Asylpolitik scheint es zu geben: Die Bedingungen für Asylsuchende so grausam zu gestalten, dass künftige Flüchtlinge abgeschreckt werden. Aber das macht sich nicht gut, festgeschrieben in einer EU-Richtlinie. Es bleibt das grausame Pingpong-Spiel, diesmal zwischen Schweden und Österreich. Oder zwischen Frankreich und Rumänien, mit den Roma.
Das Leben ist schön, mag sich Reza Haidari gedacht haben, als ihm die Flucht aus Afghanistan gelang. Jetzt ist er tot.