Perser leiden unter hoher Inflation - Teuerungsrate stieg auf 23 Prozent.
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Teheran/Wien. Im Iran macht sich der wirtschaftliche Druck des Westens für die Bevölkerung immer deutlicher bemerkbar. Die von der EU und den USA verhängten Sanktionen gegen das umstrittene Atomprogramm der iranischen Führung bekommen vor allem die Unter- und Mittelschicht zu spüren. Wie die Nachrichtenagentur Irna berichtet, erreichte die Inflationsrate Ende Juli 23 Prozent, was einen deutlichen Anstieg gegenüber März (dem Beginn des iranischen Jahres) bedeutet. Damals betrug die Inflation 21,8 Prozent.
Erschwerend kommt das Öl-Embargo der EU hinzu, das seit 1. Juli in Kraft getreten ist. Dadurch haben sich die Ölexporte, eine der Haupteinnahmequellen für Teheran, seit Jahresbeginn um bis zu 40 Prozent verringert. Der Öl- und Gasexport machte früher fast 80 Prozent der iranischen Ausfuhren aus, allerdings nur ein Fünftel der gesamten Volkswirtschaft.
Die Bevölkerung spürt diesen Effekt im Alltag: Lebensmittelpreise steigen ins Unermessliche. "Es ist unvorstellbar. So wie es Fahrgemeinschaften gibt, gibt es bei uns jetzt Fleischgemeinschaften. Die Preise für die Grundnahrungsmittel sind so rasant gestiegen, dass viele Familien sich zusammentun und en gros einkaufen, um zumindest zwei Mal in der Woche Fleisch essen zu können", berichtet der 45-jährige Familienvater Ramin H. im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Nachsatz: "Und täglich wird etwas anderes teurer." Für die ärmsten Schichten organisiert die Regierung "Regulierungskäufe", bei denen man Grundnahrungsmittel günstiger erwerben kann.
Es ist es kein Zufall, dass die iranische Zentralbank seit drei Jahren keine Statistiken mehr über das Wachstum des Bruttosozialprodukts und die Inflationsrate veröffentlicht hat. "Ich weiß nicht, wie die Leute leben. Das Leben ist unleistbar geworden, klagt auch Azadeh. Schaf- oder Rindfleisch kostet neun bis zwölf Euro pro Kilo, Hühnerfilet geschnitten um die acht Euro. Für ein Essen inklusive Salat und Getränk in einem mittelmäßigen Restaurant legt man an die zehn Euro auf den Tisch. Auch Obst und Gemüse sind sehr teuer geworden. Zwei bis fünf Euro pro Kilo muss man schon berappen. "Man überlegt sich zweimal, was man letztendlich kauft", so Azadeh.
Ein Arbeiter verdient im Iran durchschnittlich 160 Euro im Monat. Die Lebenserhaltungskosten einer dreiköpfigen Familie werden mit durchschnittlich 500 Euro im Monat beziffert. Auch auf dem Bazar von Teheran, dem wichtigsten Stimmungsbarometer für Irans Wirtschaft, hat die sinkende Kaufkraft viele Händler zur Verzweiflung getrieben.
15 Prozent ohne Job
"Die in Umlauf befindliche Geldmenge ist um mehr als 300 Prozent gestiegen. Doch im Endeffekt sind die Geschäfte zurückgegangen", schildert ein Bazari die Lage. "Die Leute kaufen viel weniger, denn die Arbeitslosigkeit kletterte auf 15 Prozent. Wenn man keine Arbeit hat, hat man auch kein Geld. Wundern Sie sich dann, dass in den letzten sechs Jahren 750.000 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft verloren gegangen sind? Wundern Sie sich, dass Iran als Wirtschaftsstandort an Attraktivität verliert?".
Die Krise ist in den letzten Wochen auch immer mehr zum Politikum geworden. Präsident Ahmadinejad, der wegen seiner Wirtschafts- und Außenpolitik für viele verantwortlich für die Misere des Landes ist, wird nun sogar von den mächtigen Freitagspredigern quer durch den Iran aufgerufen, "dringend auf die Bevölkerung zu schauen". Ein Geistlicher in Shiraz ging sogar so weit, einen "sofortigen Preisstopp" zu fordern.
Der Oberste Führer des Iran, Ayatollah Seyed Ali Khamenei, hat die Wirtschaftskrise nun zur Chefsache erklärt und versprochen, dafür zu sorgen, dass das Leben im Iran wieder leistbar wird. Eine Sonderkommission aus dem Wirtschafts-, Öl- und Handelsministerium arbeitet deshalb einen Plan aus, um die schlechte Wirtschaftslage des Landes wieder in den Griff zu bekommen. Bis dahin heißt es für die Mehrheit der Perser aber weiterhin: "Kaufe nur das, was du unbedingt brauchst".