)
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Das Bild als Vater der Nation pflegte Hugo Chávez über Jahre hinweg. In der Tat war der Präsident die Person, die Land und Volk geradezu patriarchalisch leitete. Das begann bei Sozialprojekten, führte über die Verstaatlichung von so gut wie allem bis hin zur Kontrolle der Medien. Doch der Führungsanspruch ging weit über die Grenzen Venezuelas hinaus. Von Nicaragua bis Argentinien war Chávez - nicht zuletzt dank seiner aus Petrodollars geschöpften großzügigen Hilfe - die Leitfigur eines linksgerichteten Lateinamerikas. Nun da Chávez tot ist, stellt sich für Freund und Feind vor allem eine Frage: Wird der von ihm designierte Nachfolger Nicolás Maduro den Comandante ersetzen? Kann er das überhaupt beziehungsweise wird er die chavistische Politik weiterführen, seine "bolivarische Revolution" und den "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" wie er es nannte?
Ohne Verzögerung machte sich die versammelte Riege lateinamerikanischer Staatschefs auf, um Chávez die letzte Ehre zu erweisen. Neben Trauer wird wohl eine gehörige Portion Sorge um die Zukunft und die aus Caracas kommenden Gelder für das schnelle Kommen gesorgt haben, die Venezuela unter Chávez den Hegemonialanspruch in der Region sicherten. Kuba beispielsweise lieferte Chávez jährlich Erdöl im Wert von fünf Milliarden Dollar quasi zum Selbstkostenpreis und half damit den Castro-Brüdern sich zu halten, nachdem mit dem Zerfall der Sowjetunion der existenzielle Bündnispartner weggefallen war. Ohne die generöse Unterstützung aus Venezuela würde es zweifellos schwieriger. Generell half er jedem, der bereit war, sich den Interessen der USA entgegenzustellen.
Argentinien half Chávez mit seiner finanziellen Unterstützung, sich vom Internationalen Währungsfonds zu lösen. Er stand Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner zudem Modell für ihre Politik: etwa bei der Verstaatlichung des argentinischen Ölkonzerns YPF und der Preiskontrolle.
Sorge in den USA
Selbst beim Intimfeind USA macht sich Furcht breit. Wird unter der neuen Führung die Erdölförderung weiter runtergefahren, können sich die Amerikaner auf steigende Benzinpreise gefasst machen. Auch die Wall Street, an der Investoren im Bann von Venezuelas lukrativen und stark gehandelten Anleihen stehen, wird man mit Argusaugen die weitere Entwicklung verfolgen. Vorerst haben die Anleihen mit der Nachricht von Chávez’ Tod einen weiteren Schub erhalten.
Das System Chávez zusammenzuhalten wird mit großer Wahrscheinlichkeit künftig Maduro zufallen. Dass er die nächsten Wahlen gewinnen wird, scheint wie gut wie sicher. Chávez selbst hat ihn noch im Dezember als den Mann genannt, der ihm nachfolgen soll. Maduro erbt eine Wirtschaft, die in den letzten Jahren stetig gewachsen ist, dies allerdings vor allem aufgrund des steigenden Rohölpreises. Abgesehen davon jedoch sieht es düster aus: Die venezolanische Währung Bolivar wurde von 4,3 auf 6,3 pro Dollar abgewertet. Die Abwertung wirkt sich auf die Preise aus und das in einem Land, in dem die Inflation bei 22 Prozent liegt. Durch die Verstaatlichungen ist Venezuela mehr denn je auf Importe angewiesen, was den Mangel an Weizen und Mehl verschärft hat.
Aber auch politisch wird es schwer. Maduro vertritt eine Kuba-nahe Linie - so wie Chávez -, während Parlamentspräsident Diosdado Cabello nationalistischer eingestellt zu sein scheint. Hier könnte der Chavismus Risse bekommen, was das Regieren erschweren würde. Eine große Rolle wird das Charisma-Defizit spielen, das Maduro gegenüber Chávez hat. Nicht nur innenpolitisch, sondern auch gegenüber den anderen linksgerichteten südamerikanischen Ländern, bei denen er den Führungsanspruch Venezuelas bekräftigen wird wollen und versuchen wird, den Chavismus ohne seinen Erfinder fortbestehen zu lassen.