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Analyse: Warum die Begrenzung von Bonuszahlungen für mehr Stabilität sorgt.
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Wien. Die Geschichte der Krise ist eine Geschichte voller Missverständnisse: Missverständnis Nummer eins: Der Club Med, also die faulen Griechen, Spanier und Italiener sind schuld.
Aber: Am Anfang des Schlamassels standen faule Kredite, nicht faule Spanier oder Griechen. Aus der Kreditkrise wurde eine Bankenkrise und diese metastasierte weiter zu einer Staatsschuldenkrise. Marktfundamentalistische Kommentatoren versuchen die Öffentlichkeit bis heute davon zu überzeugen, dass die schlimmste Weltwirtschaftskrise seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts Kismet ist und beteten mantraartig herunter, was sie schon immer zu wissen vermeint haben: dass der Staat nicht wirtschaften kann.
Doch darin liegt das zweite Missverständnis: Da wird nämlich übersehen, dass es die Banken mit ihren fehlgeleiteten Kreditvergaben und Investitionen waren, die die USA und die EU an den Rand einer Kernschmelze des Finanzsystems gebracht haben. Und es wird geflissentlich darüber hinweggegangen, dass viele Bankhäuser mit öffentlichen Geldern vor dem sicheren Kollaps gerettet wurden. Die Staaten hafteten mit dem Geld der Steuerzahler einerseits für die Bankeinlagen und zogen viele Bank-Manager mit großzügigen Staatshilfen und aus dem Schlamassel. Allein Großbritannien pumpte fast eine halbe Billion Pfund ins Bankensystem. Auch in Österreich wurde viel Geld verbrannt: Die Bankensanierungsprogramme (größter Brocken ist die Hypo Alpe Adria) verursachen allein in diesem Jahr volkswirtschaftliche Kosten von rund 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Die Politik hat dem Wahlvolk versprochen, alles zu tun, damit die nächste Krise nicht mehr so desaströs ausfällt.
Auf EU-Ebene wurden europäische Regeln zur Sicherung der finanziellen Stabilität der Eurozone aufgestellt: Da ist von Warnmechanismen die Rede, von einer Überwachung der Defizite und Schuldenstände und von Stabilitätsprogrammen. Nun diskutiert man auf europäischer Ebene über eine europäische Einlagensicherung und eine Bankenunion. Der europäische Stabilitätsmechanismus ESM, der Euro-Rettungsschirm wurde aufgespannt.
Doch der Reformeifer geht weiter: Mehr Diversität in der Manager-Ausbildung wird diskutiert: Viel zu oft bekommen die Studenten der Wirtschaftsuniversitäten und MBA-Lehrgänge noch immer statt eines bunten, kritischen Theorie-Bouquets den Einheitsbrei der Chicagoer Schule vorgesetzt - die Folge: Ein intellektueller Herdentrieb.
Besonders reformbedürftig sind aber die finanziellen Anreiz-Systeme für Spitzenmanager: Denn viele Regulatoren sehen die Fehler der Vergangenheit in einem turbokapitalistischen Denken des kurzfristigen Vorteils, das zu einer viel zu hohen Risikotoleranz führt und zu Lasten einer längerfristigen, nachhaltigen Geschäftsentwicklung geht. Die Manager würden nur mehr auf ihre jährlichen Bonus-Zahlungen starren, die Anleger sich nur mehr für den nächsten Quartalsbericht interessieren.
Mehr Boni als Gewinn
Die Frage einer angemessenen Remuneration ist ein politisches Thema mit enormer Brisanz. Zuletzt ist die Deutsche Bank mit ihrem mit 3,2 Milliarden Euro prall gefüllten Bonustopf auf Unverständnis gestoßen: Der Gewinn der Bank lag 2012 nämlich nur bei 665 Millionen Euro.
Die SPD setzt nun mit einem Gesetzesvorstoß die deutsche Kanzlerin Angela Merkel unter Druck: Die Sozialdemokraten wollen überhöhte Managergehälter begrenzen und die steuerliche Absetzbarkeit von Bonuszahlungen einschränken. Der Teil, der über 500.000 Euro im Jahr liege, solle nur noch zur Hälfte steuerlich absetzbar sein, sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß der "Passauer Neuen Presse". Die Forderung der Linkspartei ist radikaler: Niemand soll mehr verdienen, als das 40-fache des gesellschaftlichen Minimums: Also 500.000 Euro.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nun ihrerseits die Rhetorik gegen die "Maßlosigkeit bei Managergehältern" verschärft und erklärt, dass Deutschland zu einem nationalen Alleingang für mehr Kontrolle durch die Aktionäre bereit sei. Sie verstehe sehr gut, wenn Menschen über "völlig aus dem Rahmen fallende Gehälter den Kopf schütteln".
Dabei hat die Regierung in Berlin hat nach dem Schweizer "Abzocker"-Referendum noch ganz anders geklungen: Damals hieß es, man wolle auf Vorschläge aus Brüssel warten. Nun will die CDU/CSU-FDP-Koalition noch vor der Bundestagswahl am 22. September das Aktienrecht ändern, damit Aktionäre - und nicht mehr der Aufsichtsrat - über die Manager-Bezüge bestimmen. Leider reiche es nicht aus, das Thema ausschließlich der Selbstregulierung der Wirtschaft zu überlassen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Kanzlerin unterstütze die Koalitionspläne und die Arbeiten der EU-Kommission. Aus der Fraktion von CDU und CSU verlautete, Deutschland sei schon mehrfach auf EU-Ebene vorangegangen, etwa beim Verbot von Leerverkäufen von Aktien. , lehnen die Koalitionspartner in Berlin aber kategorisch ab.
Aber Nicht nur in Deutschland rumort es: In der traditionell wirtschaftsliberalen Schweiz haben Anfang März 67,9 Prozent für eine Initiative gestimmt, wonach die Aktionäre künftig jährlich über die Gehälter des Managements befinden dürfen.
Eine kurz vor der Abstimmung bekannt gewordene beabsichtigte Abfindung von 72 Millionen Franken an den Novartis-Spitzenmanager Daniel Vasella hatte der Initiative wohl zusätzliche Stimmen eingebracht.
Die Stimmung hat sich jedenfalls gedreht: Plutokraten drohen harte Zeiten.