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Der Verkauf der "Washington Post" an Amazon-Gründer Jeff Bezos war für die Mitarbeiter ein Schock. Doch die Eigentümer haben rechtzeitig gehandelt.
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Es ist leicht gesagt, dass Veränderung etwas Gutes ist, aber wenn sie tatsächlich geschieht, ist das ein Schock. So war das am Montag für hunderte Mitarbeiter der "Washington Post", als unser Chef, Donald Graham, uns mitteilte, dass er die Zeitung verkauft. Um zu verstehen, was da passiert ist, muss man wissen, wie persönlich seine Beziehung zur "Washington Post" ist. Am Eingang seines Büros bewahrt er einen alten hölzernen Karren auf, der zum Austragen der Zeitungen verwendet wurde. Er kennt fast alle Namen der Mitarbeiter. Er schrieb ihnen häufig Mitteilungen, vor der Zeit der E-Mails mit der Hand. Auslandskorrespondenten, die fern der Heimat ihren Hals riskieren, waren sich immer bewusst, dass Don ihre Artikel las, da er ihnen Anerkennung für ihre Leistung aussprach. Wie hunderte von Korrespondenten und Reportern bestätigen können, schien es manchmal, als wäre Don der Einzige, der wirklich Notiz davon nahm.
Wenn man weiß, wie sehr die Grahams die "Washington Post" lieben, kann man sich vorstellen, wie schwer es für Don und seine Nichte Katharine Weymouth gewesen muss, den verblüfften Angestellten zu sagen, dass sie verkaufen. Wie bei einem Todesfall in der Familie: Schock, Leugnen, ein bisschen Zorn vielleicht und dann das Akzeptieren.
Viele von uns haben das Gefühl, dass Don und seine Familie uneigennützig und mutig gehandelt haben. Hätte Don gewartet und hätten sich die Verluste der Zeitung vergrößert, wäre er womöglich gezwungen gewesen, sie an den Höchstbieter zu versteigern. Aber er handelte, solange er sich den Käufer noch aussuchen konnte.
Der Newsroom der "Washington Post" ist trotz all des neuen Glanzes noch immer unverkennbar der Ort, an dem Ben Bradlee seine Chefin Katharine Graham davon überzeugte, dass die zwei jungen Reporter Bob Woodward and Carl Bernstein recht hatten, Richard Nixon der Lüge zu bezichtigen. Nach der Verkaufsankündigung habe ich mit Bradlee gesprochen. Er ist auf Urlaub und ist wie alle anderen schockiert. In ein paar Wochen wird er 92, aber da war das vertraute Donnern in seiner Stimme, als er sagte: "Ich muss zurück und Don helfen."
Seit Generationen druckt die "Washington Post" hier in der 15th-Street Zeitungen. Wer lang arbeitete (und wer tat das nicht), hörte, wie die alten Zeitungspressen im Keller die erste Ausgabe zu drucken begannen. Dann schien das ganze Gebäude zu vibrieren.
Der neue Eigentümer ist Jeff Bezos, Gründer von Amazon. Kein Journalist, der etwas auf sich hält, würde den neuen Boss vor lauter Begeisterung gleich umarmen, also lasse ich es. Es reicht zu sagen, dass er eine gute Einschätzungsgabe hat und dass er unter den Ersten war, die einen Weg gefunden haben, Printinhalte in attraktiver, einfacher digitaler Form bereitzustellen. Und man muss wohl davon ausgehen, dass er geschäftstüchtig ist. Er hat eine großartige Zeitung gekauft. Es muss ihm klar werden, dass ein couragierter Zeitungseigentümer mit hohen Grundsätzen das Wunderbarste auf der Welt ist.
Übersetzung: Redaktion