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In der Lichttechnik vollzieht sich einer der größten Umbrüche seit der Erfindung der Glühbirne. Vieles spricht dafür, dass in naher Zukunft das künstliche Licht auch in privaten Haushalten vor allem von Leuchtdioden erzeugt wird, die viel weniger Strom verbrauchen als jedes andere Leuchtmittel.
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Lampen, wohin das Auge blickt: im Regal, auf dem Tisch, auf dem Fensterbrett, in einer Kiste, an der Decke. Das Büro ist voll von ihnen. Manche könnte man auf den ersten Blick einfach für Glühbirnen, Halogenstrahler oder Leuchtstoffröhren halten. Doch das Äußere täuscht. Es handelt sich ausschließlich um Leuchtdioden, auch LED genannt oder light-emitting diode.
Seit zwei Jahren beschäftigt sich Thomas Treiss, Jahrgang 1984, hauptberuflich mit Leuchtdioden. Auf das neue Licht hat er sich im Auftrag der Firma Omtec spezialisiert, die Energiecoaching anbietet und in diesem Rahmen auch ganze Lichtanlagen auf LED umstellt, womit der Energieverbrauch drastisch sinkt. Thomas Treiss war der richtige Mann für diese Aufgabe, hat er sich doch im Jahr 2007 im Rahmen seiner Abschlussarbeit im HTL-Kolleg mit Leuchtdioden beschäftigt. Dabei ging es darum, gemeinsam mit einem Kollegen aus den wichtigsten Rohmaterialien, den Einzeldioden und den Chips, selbst mehrere Lampen mit Leuchtdioden zu bauen. In dieser Zeit hat er sich eingehend mit den Details der neuen Lichttechnik befasst: den Treibern, dem Sockel, der Kühlung und der optischen Beschichtung. "Mittlerweile gibt es unendlich viele Modelle auf dem Markt", sagt er und fügt hinzu: "Gut 70 Prozent sind Mist." Die Unterschiede liegen in der Stärke, der Streuung und der Farbe des Lichts. Außerdem kommt es auf die Verarbeitung des Sockels, des Treibers und auf die Kühlung an. "Verglichen mit der Glühbirne ist die Leuchtdiode ein hochtechnisches Gerät."
Im Auto
Im Grunde genommen handelt es sich bei Leuchtdioden um leuchtende Kristalle. Der Effekt wurde erstmals im Jahr 1907 von dem britischen Physiker Henry Round beschrieben, der in einem Aufsatz zu Grundlagen der Funktechnik nebenbei ein "seltsames Phänomen" erwähnt, das er zufällig bei der Arbeit mit Siliziumkarbid beobachtete: Dass dieses Material nämlich gelb oder orange zu leuchten beginnt, wenn man eine Gleichspannung anlegt. Ihm fiel auch auf, dass dabei zwar Licht erzeugt wird, aber auffallend wenig Wärme.
Damals wusste man mit dieser Beobachtung nichts anzufangen und beschäftigte sich höchstens am Rande damit. Erst im Jahr 1962 brachte in den USA General Electrics eine Erfindung von Nick Holonyak, übrigens einem Sohn europäischer Immigranten, auf den Markt: die erste industriell gefertigte Leuchtdiode. Sie war ein Nebenprodukt der intensiven Beschäftigung mit Halbleitertechnologie, die für den Bau von Transistoren entscheidend war, hatte allerdings den Nachteil, nur schwaches, farbiges Licht zu erzeugen und wurde daher vor allem für Signallampen verwendet.
Die entscheidende Wendung sollte schließlich aus Japan kommen. Dort fand Anfang der 90er Jahre der Physiker Shuji Nakamura, damals noch Angestellter der Firma Nichia, einen Weg, mit Hilfe von Galliumnitrid blau leuchtende LEDs herzustellen, eine Erfindung, die der neuen Technik den Durchbruch brachte. Die Firma Nichia, heute immer noch ein führender Hersteller von Leuchtdioden, wollte ihren Angestellten übrigens für die Erfindung, an der sie gut 150 Millionen Euro verdiente, mit einer Prämie von etwa 150 Euro abspeisen, verlor aber einen Prozess und musste den Erfinder, der heute als Professor an der Universität von Santa Barbara lehrt, schließlich mit sechs Millionen Euro entlohnen.
Danach entdeckte die Automobil-industrie sehr schnell die Vorzüge der Leuchtdioden, die starkes Licht bei minimalem Stromverbrauch und geringer Erwärmung der Lampe abgeben. Außerdem sind sie, gute Qualität vorausgesetzt, langlebig und müssen kaum je ausgetauscht werden. "Bereits die heutigen Leuchtdioden", sagt Thomas Treiss, "halten wahrscheinlich länger als das ganze Auto."
Wegen dieser offenkundigen Vorzüge haben sich Leuchtdioden in vielen Bereichen der Lichttechnik längst durchgesetzt, bei professionellen Lichtanlagen für Bühne und Film, in der Medizintechnik und in immer größerem Umfang auch in der Straßenbeleuchtung. Etwa in der deutschen Kleinstadt Liebenburg, die kürzlich wie viele andere deutsche Kleinstädte mit Förderungen aus Berlin ihr gesamtes Lichtsystem auf LED umgestellt hat und mit Stromeinsparungen von 60 Prozent rechnet, was ganz nebenbei eine drastische Reduktion der CO2-Emissionen bedeutet. Aus diesem Grund fährt auch das Greenpeace-Schiff "Beluga II" mit LED-Beleuchtung und sogar die Beleuchtung des Abraj-Al-Bait-Turms in Mekka, eines der höchsten der Welt, wurde auf Leuchtdioden umgestellt, die die österreichische Firma NetQM in ihrer bosnischen Fabrik produzieren ließ.
Farbtemperaturen
Gegen den Einsatz von Leuchtdioden im privaten Bereich wurde bis vor kurzem noch das Argument angeführt, dass das Licht, das sie abgeben, ungemütlich kalt sei. Dieser Einwand entlockt Thomas Treiss nur ein nachsichtiges Lächeln. "Allein im letzten Jahr hat sich unglaublich viel getan", sagt er und zeigt auf die Testlampen in seinem Büro, die dauerhaft in Betrieb sind. Und tatsächlich: Für den unvoreingenommen Betrachter sind die meisten von ihnen von herkömmlichen Glühlampen oder Halogenstrahlern nicht zu unterscheiden. "Heute gibt es nichts, was es nicht gibt", fasst Thomas Treiss seine Erfahrung zusammen.

Die Farbe von Licht ist natürlich ein delikates Thema, bei dem es auch um Gewohnheiten und Geschmack geht. Die Firma Philipps zum Beispiel, die mit ihrer Tochter Lumilex auf dem LED-Markt präsent ist, bietet deswegen Lampen mit den Lichtfarben "kaltweiß", "neutralweiß" und "warmweiß" an. Die Maßeinheit für diese Farbtemperatur, die auch in der professionellen Fotografie verwendet wird, ist Kelvin. Warmweiß wird in der LED-Branche mit einer Farbtemperatur von 2500 bis 3500 Kelvin definiert, neutralweiß bis 4500 und kaltweiß jenseits der 4500. Im Vergleich dazu leuchtet eine traditionelle 100W-Glühbirne im Bereich von 2800 K, eine 40W-Birne etwa bei 2200 und Kerzenlicht erzeugt ungefähr 1500 K. (In unseren Breiten ergibt übrigens das Licht der Mittagssonne bei leichter Bewölkung etwa 5500 K.)
Für den Einsatz von Leuchtdioden im privaten Bereich spricht natürlich der sensationell niedrige Energieverbrauch. Aktuell angebotene Leuchtdioden, die die Leistung einer 60W-Glühbirne bringen, verbrauchen gerade einmal 10 W. Während man noch im Jahr 2007 davon ausging, dass man die Leistung in Watt von LED-Lampen mit vier multiplizieren musste, um die Leistung der vergleichbaren Glühbirne zu erhalten, so wird dieser Faktor in naher Zukunft bei zehn liegen.
Dazu kommen andere unbestreitbare Vorzüge: LED-Lampen geben ihr Licht sofort, ohne die Verzögerung mancher Energiesparlampen. Sie enthalten auch kein giftiges Quecksilber, wie die heute gängigen Energiesparlampen. Und ihre Lebensdauer, die im Idealfall 50.000 Betriebsstunden betragen kann, übertrifft alle bisher bekannten Leuchtmittel.
Doch Thomas Treiss warnt vor undifferenzierter Begeisterung. Vor allem deswegen, weil LED-Lampen derzeit noch unverhältnismäßig teuer sind. Ihr Preis liegt vorläufig noch je nach Qualität zwischen dem Doppelten oder dem Dreifachen einer Halogenlampe. Für die Firmen, die Thomas Treiss vor allem berät, ergibt sich daher die Frage, unter welchen Bedingungen sich die Investition rechnet, bei einem gemieteten Gebäude zum Beispiel, bei dem die Lebensdauer einer neuen Lichtanlage mitkalkuliert werden muss. Dem Privaten empfiehlt er, vor allem Lampen auszutauschen, die dauerhaft in Betrieb sind, damit die Auswirkung auf die Stromrechnung in einer vernünftigen Beziehung zu den Kosten der Anschaffung stehen. Außerdem kann der Austausch von Spots in Niedervolt-Anlagen die Transformatoren dieser Anlagen in eine tiefe Sinnkrise stürzen, da plötzlich erschreckend wenig Strom verbraucht wird, ein Zustand, auf den manche Geräte schlecht reagieren. Und außerdem ist es in Hinblick auf Sockel, Kühlung und Treiber vorläufig noch schwierig, gute von schlechter Verarbeitung zu unterscheiden. Deswegen empfiehlt Thomas Treiss, sich von einem Fachmann im Lampengeschäft beraten zu lassen.
Am Horizont der LED-Welt kündigt sich indessen bereits eine neue Revolution an: die organische Leuchtdiode, abgekürzt: Oled. Diese Technik verwendet nicht mehr anorganische Halbleiter sondern speziell beschichtete Kunststofffolien, leuchtende Flächen, die die Farben kräftiger und fließender wiedergeben. Demnächst werden die ersten Fernsehgeräte auf den Markt kommen (Preis zwischen 5000 und 7000 Euro), die mit der neuen Technik arbeiten, längerfristig könnten Oled-Bildschirme auch die heute üblichen LCD-Monitore für Computer verdrängen. Und in den Firmenlabors wird bereits eifrig mit Oled-beschichteten Tapeten experimentiert, die in der Zukunft ganze Wände zum Leuchten bringen könnten. Auch in der Automobilindustrie baut man bereits Prototypen, deren Heckpartie zur Gänze als Leuchte dient. Doch wird wohl noch ein bisschen Zeit vergehen, bis diese Entwicklung den Haushalt erreicht.
Artikel erschienen am 16. März 2012 in: "Wiener Zeitung", Beilage "Wiener Journal", S. 4-9