Statt sich mit der Unzufriedenheit der eigenen Bevölkerung auseinanderzusetzen, benutzen die USA Umstürze im Ausland als politisches Mittel.
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Irgendwie fühlt man sich in unserem Jahrzehnt an ein Dominospiel erinnert. Wie Steine fallen Regierungen, ein Staat nach dem anderen taumelt ins wirtschaftliche und politische Chaos. Gleichzeitig ist von "Revolutionen" die Rede, und in diversen Medien wird die Frohbotschaft vom "Aufbegehren der Zivilbevölkerung" verkündet. Mit beschönigenden Begriffen wie dem "Arabischen Frühling" und dem ukrainischen "Euromaidan" wird man über die trostlose Realität hinweggetäuscht, mit der sich die Betroffenen nach den Umbrüchen abfinden müssen.
Die Revolten im arabischen Raum, in der Ukraine und neulich in Mazedonien mögen zwar unterschiedliche Ausgangslagen haben, in einem sind sie jedoch alle gleich: Sie dienen machtpolitischen Interessen und können im Zeitalter der absoluten Überwachung nicht wirklich als "Revolutionen von unten" bezeichnet werden.
So hüten sich Politiker und Reporter, die immer wieder aufflammenden Straßenproteste in Boston, Baltimore und New York gegen die Willkür der Polizeigewalt einen "US-Frühling" zu nennen. Diese Protestbewegungen gehen zwar genauso von einer unzufriedenen Bevölkerung aus, sie werden aber auf Anweisung von oben erstickt. Vor der Präsidentenwahl ist es nämlich weder für Demokraten noch Republikaner bequem, sich mit der Lösung sozialer Probleme im eigenen Land auseinanderzusetzen.
Stattdessen entsendet man hochrangige Diplomaten, die sich ein Bild von der sicherheitspolitischen Lage in der Welt machen sollen. Unter besonders scharfer Beobachtung stehen derzeit jene Staaten, die sich Russland gegenüber anders verhalten als vom Westen verlangt. Regierungschefs in Ländern mit großer strategischer oder energiepolitischer Bedeutung müssen ebenfalls fürchten, irgendwann einer Revolution zum Opfer zu fallen, sofern sie den Machtansprüchen der USA nicht gerecht werden. Daher sind politische Umstürze im einen oder anderen Balkanstaat, in Weißrussland, im erdölreichen Aserbaidschan, aber auch in Ungarn in absehbarer Zeit durchaus denkbar.
Die Revolution des 21. Jahrhunderts hat sich zu einem lukrativen Geschäft entwickelt, von dem die Supermacht USA mit ihren einflussreichen Erdöl- und Waffenlobbys stark profitiert. Sie ist logistisch geplant und wird zum Großteil nicht mehr auf den Straßen, sondern in den Medien ausgetragen. Zivilgesellschaftliche Akteure sind dabei nach wie vor eine treibende Kraft. Es besteht allerdings die Gefahr, dass ausländische Institutionen diese finanzieren und koordinieren, wie es zum Beispiel mit der serbischen Studentenbewegung Otpor der Fall war.
Dank großzügiger Spenden durch "Denkfabriken" aus den USA gelang dem Verein im Jahr 2000 der Sturz des serbischen Machthabers Slobodan Milosevic. Otpor blieb weiterhin aktiv und trug maßgeblich zum "Erfolg" der Proteste in Tunesien und Ägypten 2011 bei. Die Hexenjagd auf den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak wurde damals genauso medial inszeniert wie heute der Beschuss von Syriens Staatschef Bashar al-Assad und Russlands Präsident Wladimir Putin. Zu einem großen Nutznießer der Revolution wurde die Zivilgesellschaft bisher jedenfalls nicht.