Die meisten Roma in Österreich sind Kriegsflüchtlinge. | Roma werden heute verstärkt wahrgenommen. | Wien. "Lustig ist das Zigeunerleben" lautet ein bekanntes Volkslied. Roma und Sinti wurden lange als "fahrendes Volk" frei von Steuersorgen wahrgenommen. Ein falsches Klischee, wie Nicole Sevik vom Verein Ketani für die Belange Sinti und Roma betont. Die Reisen der Großfamilien hätten eine stark wirtschaftliche Motivation gehabt: Das Haupteinkommen kam vom Verkauf verschiedenster Waren, und die Reisen ermöglichten eine Ausweitung des Handelsgebietes.
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Diese Lebensform wurde mit der Zeit in die eigene Kultur integriert. Heutzutage gebe es aber viele Sinti und Roma mit festem Wohnsitz, die "normale" Berufe ausüben, so Sevik.
Der 8. April ist Internationaler Roma Tag. Festgesetzt wurde er 1990 vom Kongress der International Romani Union. Der Begriff "Roma" steht hierbei gleichermaßen für Roma wie für die Untergruppe der Sinti und soll den Begriff "Zigeuner" ersetzen.
Roma sind mit etwa acht bis zehn Millionen Personen die größte europäische Minderheit ohne eigenes Staatsterritorium. Fünf Roma-Gruppierungen gibt es in Österreich, von denen die Burgenland-Roma mit geschätzten 2500 bis 5000 Personen die größte und auch die bekannteste ist.
"Aufgrund der Diskriminierungen bekennen sich viele Roma nicht als solche. Deshalb gibt es keine zuverlässigen Zahlen", meint der Politikwissenschafter Thomas Schmidinger. Ein weiterer Grund ist, dass der massive Großteil der in Österreich lebenden Roma - ihr Zahl wird auf insgesamt 20.000 bis 25.000 geschätzt - keiner der bekannten Gruppierungen angehört, sondern Asylwerber und Illegale sind, die vor dem Krieg in Ex-Jugoslawien geflohen sind.
Im Weinviertel leben etwa 1000 Roma-Flüchtlinge, die alle aus der Stadt Bijeljina im Nordosten von Bosnien-Herzegowina stammen. "Die meisten haben eine sehr ähnliche Flüchtlingsgeschichte", berichtet Ines Kälin-Schreiblehner von der Caritas, die sich der Flüchtlingsbetreuung widmet. "Zunächst flohen sie 1992 bei Kriegsbeginn nach Berlin. Als sie 2001 in ihre Heimat zurückkehrten, hatte sich die Lage für sie verschlimmert, weil sie auch noch als Feiglinge galten. Wir haben gekämpft und alles verloren, erklärten ihnen die Serben." Da die Roma nun nicht mehr zurück nach Deutschland konnten, gingen sie um 2003 ins Weinviertel.
"Viele haben keinen Anspruch auf Grundversorgung", bemerkt die Caritas-Mitarbeiterin. "Der Grund ist, dass das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen die Leute in verschiedene Bundesländer verteilt, doch die Roma stattdessen zu ihren Verwandten gehen. Damit verlieren sie alle Unterhaltsansprüche. Sie sind lieber bei ihren Verwandten, als versichert." Ins Weinviertel kamen bereits in den 80er Jahren einige Roma aus Bijeljina. Später folgten ihnen die bosnischen Flüchtlinge.
Wie auch an anderen Orten bleiben viele Roma im Weinviertel unter sich. "Sie werden bei der Arbeits- und Wohnungssuche diskriminiert, weil man Roma nicht als Nachbarn haben möchte", berichtet Kälin-Schreiblehner. Darüber hinaus blieben viele Roma stark in ihren Familienclans verwurzelt. "Ein Roma ist kein Roma" lautet ein Sprichwort. Gemeinsam mit Caritas-Mitarbeiter Herwig Schinnerl hat Kälin-Schreiblehner eine Studie zur Lage der Roma-Flüchtlinge im Weinviertel gemacht, die am 1. Juni präsentiert wird.
Fahrende Völker blicken auf eine lange Geschichte der Ausgrenzung in ganz Europa zurück. In Österreich erlaubte der Zigeunererlass von 1888 die organisierte Bekämpfung: "Ausländische Zigeuner" sollten ausgewiesen und die anderen "Zigeuner" sesshaft gemacht werden. Die nationalsozialistische "Zigeunerpolitik" mündete später in Deportationen in Arbeits- und Konzentrationslager. Nach 1945 wurden zudem vielen Roma und Sinti die Staatsangehörigkeit entzogen. Erst 1993 wurden die Burgenland-Roma als Volksgruppe anerkannt.
Mehr Anerkennung
In den letzten Jahrzehnten kommt es bei den Roma zu einem wachsenden Selbstbewusstsein, zunehmende Anerkennung bekommen sie vor allem über die Musik. Gerade durch den Erfolg der Künstler gebe es eine neue und wohlwollende Aufmerksamkeit für diese Kultur, bemerkt Sevik. Dennoch bestehen noch immer viele soziale Probleme. Die strukturelle Marginalisierung der Roma in Österreich ist weiter aufrecht. In Europa sind Verstöße gegen die Menschenrechte der Roma und Sinti noch immer so verbreitet, dass regelmäßig internationale Organisationen darauf aufmerksam machen. Tätliche Überfälle wie etwa 1995 der Anschlag von Oberwart, der vier Roma tötete, sorgen für zusätzliche Angst und Ungewissheit bei der Gemeinschaft.