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Das Machttandem siecht dahin

Von WZ-Korrespondentin Inna Hartwich

Europaarchiv

Medwedew dürfte als russischer Premier endgültig verblassen.


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Moskau. Am Vortag noch Präsident, nun Premier. Zwei Drittel der russischen Duma-Abgeordneten bestätigten Dmitri Medwedew am Dienstag als Regierungschef. Gerechtes Russland und Kommunisten stimmten geschlossen dagegen. Die 299 Stimmen der Kreml-Partei Einiges Russland und der Liberaldemokratischen Partei des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski reichen für den Präsidenten-Premier-Tausch. Nötig waren 226 Stimmen.

Damit ist die im September 2011 inszenierte Machtrochade perfekt - und das vermeintliche Machttandem siecht dahin. Medwedew dürfte nun endgültig verblassen. Die Machtposition als Premier ist qua Verfassung schwächer. Ihr Ausbau zu Zeiten Wladimir Putins auf diesem Posten wird nun nach und nach wieder zurückgefahren. Medwedew steht vor unangenehmen Reformen, die seine Unbeliebtheit im Volk zu vergrößern drohen.

Fünf Minuten genügen dem neuen Präsidenten Putin, den 438 Duma-Mitgliedern (12 Parlamentarier fehlten) die Vorzüge seines politischen Ziehsohnes zu offenbaren. Der 46-Jährige sei ein erfahrener Politiker, der Wahrheit und Gerechtigkeit schütze, er sei es auch, der die Antikorruptionsgesetze auf den Weg gebracht habe - die im Übrigen nicht greifen, aber davon spricht Putin nicht -, die Gesellschaft für die Modernisierung motiviert und die Registrierung kleinerer Parteien erleichtert habe - wenn auch nur auf dem Papier, was Putin nicht erwähnt. Die Entscheidung, dass Medwedew nun den Posten des Premiers übernehme, sei vor langer Zeit, "ganz transparent", getroffen worden. Dennoch: "Ich bitte Sie, Ihre Zustimmung zu geben", sagt Putin. So geschieht es auch. Es ist schließlich Feiertag, und Russland befindet sich noch bis zum heutigen Tag des Sieges über Nazi-Deutschland (9. Mai) in staatlich verordneten Ferien.

Müder neuer Premier

Müde wirkt der Anwärter, während er sein Programm für die nächsten Jahre von der Liste abliest. Es ist die Reihe von Dekreten, die Putin bereits nach seiner Amtseinführung am Montag unterzeichnete: Das Durchschnittsalter der Bevölkerung soll steigen, das Bildungsniveau auch, Wohnraum soll zugänglich gemacht, Renten und Löhne sollen erhöht und die Infrastruktur ausgebaut werden. "Wir müssen für Ordnung sorgen", sagt Medwedew, der seine Amtszeit als Premier als "Fortsetzung der vergangenen Jahre" sieht. Es spricht auch diesmal viel von Reformen, vieles klingt wie eine Kopie seiner Abschiedsrede als Präsident. Vieles sei getan, einiges nicht erreicht worden.

In Medwedews Verantwortung liegen nun vor allem Aufgaben, die Putin gerne an ihn delegiert hat: Soziales und Wirtschaftspolitik. Allerdings verliert Medwedew den Zugriff vor allem auf die Ministerien, die er als Präsident zu reformieren versuchte, vor allem das Justizwesen und die Innenpolitik. Traditionell kümmert sich der Präsident darum, auch wenn in der Verfassung die Regierung dafür zuständig ist. Doch die Gesetzeslage ist mehrdeutig, vieles interpretierbar. Deshalb war es möglich, Putins Zuständigkeiten als Premier auszuweiten. Er agierte so auch als Vorsitzender der Kabinettsitzungen. Das darf aber - laut Gesetz - auch der Präsident tun. Übernimmt Putin diese Aufgabe, dürfte das eine weitere Schmach für Medwedew sein.

Dass dieser keine gute Figur auf seinem neuen Posten macht, zeigt sich bereits einige Minuten nach seiner Wahl durch die Duma. Er bedankt sich artig und überlässt die großen Worte Putin, der alle Kritiker im Befehlston in ihre Schranken weist. Eigentlich wäre das Eingehen auf die Fragen der Parlamentarier Medwedews Aufgabe gewesen.